Das Ding, das kommt: Schweigsamer Gesell
Was, Sie haben keine Tigerente? Geben Sie es zu, irgendwo unterm Schreib- oder auf dem Nachttisch steht es, das kleine, hölzerne, schwarzgelbe Entchen mit Rädern. Erfinder des allerliebsten Absurdicums ist ein Herr namens Artur Janosch, der in Wirklichkeit Horst Eckert heißt und jetzt 85 wird.
Geboren wurde er im heute polnischen Schlesien, von wo die Familie 1946 nach Westdeutschland floh. Textilfacharbeiter lernte Janosch im Westen, Zeichner danach, Karikaturen- und Kinderbuchzeichnen wurde Leidenschaft und Profession. Bücher wie „Oh, wie schön ist Panama“ machten ihn und seine drei Figuren 1978 berühmt: Tiger, Bär und die schweigsame, aber stets tröstlich präsente Tigerente.
All diese Figuren und Geschichtchen habe er erfunden, um Frauen zu beeindrucken, hat er später behauptet. Das half aber nicht, weshalb er zu trinken begann und er nach vielen Jahren wieder aufhörte. Jetzt ist er seit 25 Jahren trocken und lebt auf Teneriffa. Und wenn man ihn fragt, ob es ihm gefällt, dass es jetzt neben Tigerentenrucksäcken, Stiften-, Spangen und Socken auch Tigerentenwurst gibt, sagt er: „Igitt“, und überhaupt habe er damit nichts zu tun.
Mit dem Tigerentenmythos allerdings schon, daran hat er sogar mitgestrickt, indem er irgendwann behauptete, die Tigerente sei vom Karikaturisten F. K. Waechter geklaut. Jahre später hat er das zurückgenommen und gesagt, er müsse das Vieh schon selbst verantworten.
Ist da jetzt die Story eitel oder der Autor oder beide? Oder ist die Lüge bloß eine Fortführung seiner phantasievollen Kinderbücher mit anderen Mitteln? Deren Inhalte sind es in jedem Fall: Janosch hat selbst zugegeben, dass diese Traumwelten auch Ersatz für seine eigene trostlose Kindheit seien.
Nebenher ist Janosch allerdings auch erwachsen geworden: Nicht nur, dass er in seiner Autobiografie „Tagebuch eines frommen Ketzers“ – bislang nur in Polen verlegt – mit seiner konservativen schlesischen Familie abrechnet. Er sitzt auch im Beirat der Giordano-Bruno-Stiftung, für die er kirchenkritische satirische Cartoons zeichnet. Außerdem unterstützt er die „Spatzenkampagne“ der Deutschen Wildtier-Stiftung. Angeblich, um gutzumachen, was sein Vater einst als Vogelfänger verbrach. Aber stimmt das jetzt nun wieder? Vielleicht sollte man mal die Tigerente fragen. PS
„Oh wie schön ist … Hamburg“: 1.–19. Juni, Metropolitan Gallery, Am Sandtorpark 2. Vernissage in Anwesenheit des Künstlers: Mi, 1. Juni, 18 Uhr; ab 15 Uhr Preview für Familien mit Kindern. „Malstunde nach Janosch“: So, 5. Juni, 14–16 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen