Streit übers nächste Sorgenkind

FINANZEN Zypern rutscht immer tiefer in die Eurokrise. Der IWF fordert einen Schuldenschnitt, doch auch diesmal stellt sich Berlin quer. Hoffnung auf Russland

„Die Lage in Zypern ist wesentlich dramatischer als die in Griechenland“

EIN RANGHOHER EU-BEAMTER

AUS BRÜSSEL ERIC BONSE

Nach Griechenland entwickelt sich Zypern zum größten Sorgenkind der Euroretter. Die Mittelmeerinsel steht seit Wochen am Rand der Pleite und kann sich nur durch einen Griff in die Pensionskasse über die Feiertage retten. Nun droht neues Ungemach: Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung fordert der Internationale Währungsfonds (IWF) einen Schuldenschnitt – doch Deutschland und andere Geberländer stellen sich quer.

Das drittkleinste Mitglied der Währungsunion, das von Kommunisten regiert wird, aber einem riesigen Kasino gleicht, benötigt Hilfen in Höhe von rund 17 Milliarden Euro. Dies entspricht rund 100 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung – einen so großen Hilfsbedarf hat noch kein Krisenland angemeldet. Ohne einen Schuldenschnitt werde Zypern nach Ansicht des IWF seine Zinslast tragen könne, hieß es unter Berufung auf Verhandlungskreise.

„Die Lage in Zypern ist wesentlich dramatischer als die in Griechenland“, zitierte die Zeitung einen ranghohen EU-Beamten. Auch für Griechenland hatte der IWF einen Schuldenschnitt gefordert, war jedoch am Widerstand von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gescheitert. Der CDU-Politiker sträubte sich mit Blick auf die Bundestagswahl im Herbst 2013 gegen die mit einem Schuldenschnitt verbundenen Verluste, denn die hätte diesmal der Steuerzahler tragen müssen.

Nun könnte sich der Streit zwischen Schäuble und IWF-Chefin Christine Lagarde wiederholen. Zwar soll die Entscheidung über Zypern-Hilfen erst Ende Januar fallen. Doch schon jetzt sind die Fronten verhärtet. Gegner eines Schuldenschnitts erinnern daran, dass die Eurogruppe versprochen hatte, Griechenland werde ein Einzelfall bleiben. Würde dieses Versprechen gebrochen, fürchten sie um die Glaubwürdigkeit der Eurozone.

Bei dem Präzedenzfall in Athen waren die privaten Gläubiger zu einem Verzicht in Höhe von 100 Milliarden Euro gezwungen worden – ohne nachhaltigen Erfolg: Die Entlastung für den griechischen Staat ist verpufft, der Schuldenberg wächst weiter.

Auch auf Zypern wäre ein Schuldenschnitt kein Allheilmittel. Die Insel lebt vom Tourismus und vom aufgeblähten Bau- und Finanzsektor, der vor allem von reichen Russen flüssig gehalten wird. Ein Schnitt bei den Banken könnte auf den Staat zurückfallen, der die Geldinstitute dann stützen und sich noch mehr verschulden müsste, fürchten einige EU-Experten. Andere verweisen darauf, dass das Parlament in Nikosia bereits harte Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen beschlossen habe. Dennoch zeichne sich keine Besserung ab.

Die Hoffnung der Euroretter konzentriert sich daher nun auf Russland. Wie schon früher könnte Moskau der Regierung in Nikosia aus der Patsche helfen – und so den IWF besänftigen. Offiziell will sich zu dieser Notlösung zwar niemand bekennen, doch die Krise auf Zypern dürfte ein Hauptthema beim EU-Russland-Gipfel sein, der an diesem Freitag in Brüssel zu Ende geht.