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Den Schädlingen die Tour vermiesen

VegEtarier Mäuse, Kaninchen und Kriechtiere wollen im Garten mit fressen. Keins davon muss mit Gift oder brutaler Gewalt getötet werden. Gegen Schnecken helfen zum Beispiel spitzsteinige Wege

von Jens Fischer

Och, die putzig kleinen Hoppel, guck mal, wie treuselig niedlich die gucken. Und wie flink da das süße Mäuschen aus vollem Lauf mit einem rasanten Rechtsdrift abbiegt, um die Schnecke bei ihrem androgynen Gemütlichkeitsausflug nicht zu irritieren.

Ach, diese tierischen Plagegeister im heimischen Garten und kleinbäuerlichen Parzellenanwesen. Vegetarier allesamt. Das sind ja die Schlimmsten. Die hören gar nicht mehr auf zu fressen. Und erweisen sich dabei teilweise als richtige Feinschmecker, wenn sie die Triebe der frühlingsfidelen Pflanzungen genießen oder das knackigen Gemüse gleich komplett verspeisen, sich noch einen Obstnachtisch genehmigen und mangels Zahnstocher noch eben an Sträuchern gütlich tun. Hilflose Verzweiflung steht da in manchem Hobbygärtnergesicht. Was tun? Wie die eigenen botanischen und landwirtschaftlichen Erfolge schützen vor den Vielfraßen?

Heiner Baumgarten, Fachbereichsleiter Grünpflege beim Umweltbetrieb Bremen, kennt das hungrige Getier sehr gut – dank der jährlichen Fraßschäden in Parks und Friedhöfen sowie an all den Böschungen und Wegen, die unterwühlt werden.

„Aber bloß keine Gifte einsetzen, die geraten in den Nahrungskreislauf von allen im Garten lebenden Pflanzen und Tieren und damit auch in unseren Körper“, so der Fachmann. Daher dürften auch seine Mitarbeiter die Chemiekeulen nur im äußersten Notfall schwingen. Wenn etwa massenhaft Bäume durch Pilze oder Insekten tödlich bedroht wären. Baumgarten rät vielmehr zur Ruhe. Es gebe immer wieder Höhepunkte der Massenvermehrung einzelner Arten, aber die Natur regele das Problem der Überbevölkerung mit den jeweiligen Nahrungsketten selbst. Das ökologische Gleichgewicht pendele sich stets wieder ein.

Aber einfach nur abwarten und Tee trinken und zugucken – das wollen Kleingärtner natürlich nicht. Sondern auch mal ernten. Was tun also gegen den personell am stärksten aufgestellten Feind: die auch Hundekot und Aas verschlingenden, zur Bestäubung und Samenverbreitung der Pflanzen beitragenden, vor allem aber heimlich nächtlich frisches Grün attackierenden Nacktschnecken?

Schnecken absammeln

Die sich leider problemlos vermehren können, da sie nicht auf Flirterfolge angewiesen sind, sondern als Zwitter nur sich selbst als Partner für die Befruchtung brauchen. Paarungszeit ist jetzt – und dauert bis August. Den autoerotischen Geschlechtsakt genössen die Schnecken oft stundenlang, erklärt der Naturschutzbund Deutschland (Nabu). „Der befruchtete weibliche Teil des Paares legt dann in eine kleine Erdgrube bis zu 200 Eier, die nach zwei bis vier Wochen schlüpfen.“ In naturnahen Gärten verspeisen auch mal Laufkäfer, Glühwürmchen oder Hundertfüßler die Eigelege.

Geschieht dies nicht, gilt Regel Nummer eins der sanften Baumgarten-Tour: kein Schneckenkorn verwenden. Gerade Vögel gefährde es, die es aufpicken würden, auch Igel, Kröten, Blindschleichen könnten es aufnehmen – so vergifte man die natürlichen Verbündeten im Kampf gegen die kleinen Schleimmonster. „Am besten hilft tägliches Absammeln“, betont Baumgarten.

Wer aber nicht jede Nacht auf allen Vieren nach den Biestern suchen will, lockt sie in künstliche Tagesverstecke und liest sie dort auf. Etwa unter gestapelten Dachziegeln. Und wohin mit dem Eimer voller Schnecken? „Einen schnellen Tod kann man herbeiführen, wenn man die Tiere durchschneidet“, rät der Nabu.

Noch besser: mit kochendem Wasser übergießen. „Für den Siedetod spricht, dass man damit ein gutes Vergrämungsmittel hat. Hunderte tote Schnecken und Wasser ergeben nach zehn Tagen Gärzeit rund fünf Liter recht kräftig duftende Brühe, die wirkungsvoll Schnecken vertreibt.“ Aber Achtung: „Auf keinen Fall darf die Brühe aufs Gemüse gesprüht werden, da die Zersetzungsprodukte für den Menschen giftig sind.“ Anti-Schnecken-Power soll auch Kaffee haben. Das Koffein gilt als Nervengift. So können Gärtner ihre Pflanzen mit frisch gebrühtem Bohnenkaffee bestäuben.

Um Schnecken von vornherein fernzuhalten, empfiehlt Baumgarten zudem, die Beete mit scharfkörnigem Granulat oder Sägespänen oder Branntkalk einzurahmen. So könnten auch hübsche Wege angelegt werden. Für Menschen. Denn Schnecken schleichen einerseits nicht gern über raue Oberflächen, Kalk verätzt auch ihre Sohle, andererseits brauchen sie feuchte Gründe zur Fortbewegung und zum Überleben.

Weiteres Mittel: Schneckenzäune installieren. Sie sind, Gärtners Ehrenwort, von dem Glibbergetier nicht zu überwinden. „Sehen aber auch nicht schön aus“, bedauert der Fachmann. Daher gibt er noch ein Hausrezept preis: die Bierfalle. Es gilt, ein Gefäß halbhoch einzubuddeln und mit Bier zu füllen. „Aber kein alkoholfreies, das funktioniert nicht“, so Heiner Baumgarten. Die Duftaromen locken die Schnecken, die klettern am Gefäß hoch, fallen hinein – und ertrinken im Vollrausch.

Der Nabu warnt allerdings: „Mit ihrem Duft, der von den Tieren mit den kürzeren der vier Kopffühler aufgenommen wird, verbreitet die Bierfalle eine regelrechte Partystimmung unter den Schnecken und lockt sie auch aus Nachbars Garten.“

Und die Wühlmäuse? Die sind Gourmets in Sachen Wurzelspeisen und Blumenzwiebeln – aber auch wie Vampire mit Knoblauch abzuwehren. Behauptet Heiner Baumgarten. Und rät, auf Beete auch Knoblauch zu pflanzen – und den Duft frisch gepresster Knollen in die Gänge der Mäuse zu sprühen. Im Untergrund sollte man den Gemüsegarten zudem mit Betonplatten absichern: „Hochkantig 40 Zentimeter tief eingraben.“ Und da die Mäuse es gern ruhig haben, helfen auch Geräusche. „Eine offene Flasche mit dem Hals nach oben eingraben, wenn der Wind drüber streift, entsteht ein Dröhnen, da fliehen die Mäuse“, weiß Baumgarten.

Klappern gegen Mäuse

Im Baumarkt gebe es auch Windmühlen, deren klappernder Lärm sich über eine Metallstange direkt in den Boden überträgt. Oder man versenkt einen laut tickenden Wecker in einer Blechdose im Erdreich. Wie Schnecken dürfe jeder auch Mäuse eigenhändig töten, sagt Baumgarten. Sie also mit Apfel-, Möhren- oder Selleriestückchen in eine Falle locken und ihnen dort tödlich das Genick brechen.

Und wenn sich Kaninchen mal wieder vermehren, wie es eben Kaninchen sprichwörtlich tun? Dann darf man nicht selbst Hand anlegen und die biologisch im eigenen Garten mit Kohl, Bohnen, Möhren gut ernährten Mümmelmänner dann schnurstracks in den Ofen schieben – um ein köstliches Wild-Dinner zuzubereiten.

Wer in Bremen Probleme mit Kaninchen habe, müsse zuerst die Untere Jagdbehörde im Stadtamt informieren, erklärt Stadtjägermeister Harro Tempelmann. Dann begutachten er und die Polizei die Schäden. Und entscheiden, ob ein Falkner beauftragt, ein Frettchen eingesetzt oder der für das Gebiet zuständige Jäger beauftragt wird. Geschieht dies, ist er drei Jahre berechtigt, so viele Tiere wie möglich mit Schrot- oder schallgedämpften Kleinkalibergewehren zu schießen.

Etwa 40 Jäger seien derzeit in 70 Bezirken der Hansestadt (Kleingartenvereine, Sportanlagen, Parks) im Einsatz, sagt Tempelmann: „Es entwickelt sich gerade eine Kaninchenplage.“ Jagdsaison ist vom 1. April bis 31. März des Folgejahres, eine Schonzeit gibt es nicht. 2014/15 wurden in Bremen 1.100, in 2015/16 über 2.000 Kaninchen geschossen. Was passiert mit den toten Tieren? „Die werden gegessen“, betont Tempelmann.

Wer auf Jäger verzichten möchte, dem bietet der Baumarkt Hilfe zur Selbsthilfe. „Den ganzen Garten oder nur die Beete mit engmaschigem Kaninchendraht einzäunen, 60 Zentimeter hoch, 20 Zentimeter tief setzen, das hilft“, erklärt Baumgarten. Zur Sicherheit auch noch Kaninchennasen verätzen mit ätherischen Ölen – etwa durch Auslegen von stark nach Lavendel riechenden Lappen. Nett sind auch Einladungen an natürliche Feinde. Beispielsweise kann man Greifvögeln eine Stange als Jagdsitz herrichten. Und tagsüber Hund und Katze frei herumlaufen lassen. Dann traut sich kein vierbeiniger Dieb mehr in den Garten.

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