: Wo ich einmal verloren war
War es wirklich dieses hingeworfene „Nach unten und rechts, Signorina, ich muss los!“, das mich wie ein Automat die Schlüssel nehmen und diese Treppe hinuntersteigen ließ? Nach unten? – Wir waren im Parterre! Aber ich war müde, ich wollte nicht mehr suchen, die vierte Wohnung in einem halben Jahr sollte die letzte sein, endlich etwas für länger. Ein Zuhause.
Ich studierte Gesang – und war hier! Vespas, Hupen, das süße Leben, der Barista mit Augen wie Eis, Cappuccino, ein Lächeln, ein Ciao, vielleicht ein Abendessen, das Heilige, Ewige, die Kunst, Chaos, Müll, Berlusconi, Mafia. Zwischen Liebe und Hass. Starke Gefühle. Ich wollte es so.
Ich schloss die Tür auf. Dieser Geruch feuchter Wände! Als würde er an mir vorbei fliehen wollen. Er blieb. Die Dunkelheit, die Kälte auch. 400 Euro Miete, bar, jeden Monat – für einen Keller. Mit Betonboden, einem alten Herd im Flur, einer Pritsche im Zimmer, drei Haken an der Wand. Vor dem Fenster: Gitter. Ich setzte mich. Jetzt lachen oder weinen? Ich nahm mein rotes Kleid aus dem Koffer, strich es glatt, dann die Noten, die Strumpfhose, die Schuhe. War das jetzt „La Bohème“, ohne Tuberkulose? Ich wischte die Tränen weg. Noch drei Stunden. Dann war Konzert.
EMILIA SMECHOWSKI
■ Wo fühlte sich die sonntaz-Redakteurin verloren? Raten Sie, gewinnen Sie. Was, steht im Editorial auf Seite 15. Ihre Antworten schicken Sie bitte an sonntaz@taz.de