: Die Windmühlen des Unterbewussten
Was ist mit dem alten Don Quijote in der zeitgenössischen Karikatur anzufangen? Osnabrück hat gefragt und 125 ZeichnerInnen aus aller Welt haben geantwortet. Zu gewinnen gab einen Nachwuchsförderpreis, der nach dem Karikaturisten Fritz Wolf benannt ist und dieses Jahr nach Weißrussland geht
Die Windmühlen von heute sind – Windmühlen. Zum Beispiel die über dem Eingang des Pariser Etablissements „Moulin Rouge“. Oder die in der norddeutschen Tiefebene, die immer weiter in den Himmel wachsen. Andererseits setzen viele Karikaturisten ihrem Don Quijote als Windmühle von heute das Atomkraft-Zeichen vor den Esel oder auch das Hakenkreuz. Und auch das gibt es: Don Quijote, wie er auf das World Trade Center zufliegt, als Sinnbild für verrückte Terroristen. „Sowas hatte dann gar keine Chance“, sagt Jurymitglied Bernhard Prinz. „Don Quijote ist ein Typ, der es gut meint. Ein liebenswerter Charakter.“
Prinz, selbst Karikaturist unter anderem für Stern und Süddeutsche Zeitung, hatte zusammen mit den Kollegen Burkhard Mohr (FAZ) und Steve Bell (The Guardian) insgesamt 250 Karikaturen und Cartoons von 125 ZeichnerInnen zu sichten – geschickt aus aller Welt als Beiträge für den Fritz-Wolf-Nachwuchswettbewerb für Karikaturisten und Cartoonisten. Das Motto des Wettbewerbs: „Don Quijote – heute“. Publiziert wurde die Ausschreibung im Internet, beteiligt haben sich daraufhin auch ZeichnerInnen aus China, Armenien, Russland oder dem Iran. Bedingung: Das Höchstalter wurde auf 45 Jahre festgelegt und Don Quijote musste im Beitrag als Figur eingearbeitet sein.
Warum Don Quijote? Für die Initiatoren in Osnabrück reichte, dass Miguel de Cervantes‘ Klassiker 1605, also vor vierhundert Jahren erschienen war und dass die Kunsthalle Dominikanerkirche gerade eine Ausstellung parat hatte zum Thema „Spuren des Don Quijote“: Pablo Picasso, Salvador Dali, Otmar Alt, sie alle hatten den Ritter von der traurigen Gestalt gemalt. Zur Verfügung gestellt hat die Bilder ein Sammler aus Goslar.
Aber trotzdem: Don Quijote – nicht zu verbraucht? „Don Quijote und Sancho Pansa sind Archetypen geworden“, sagt Juror Burkhard Mohr. „Die sind schon fast in unser Unterbewusstsein eingedrungen – ähnlich wie Sisyphos oder Medusa. Es wäre schade sie zu übergehen, weil sie überzeitliche Wertigkeit besitzen.“ Während die deutschen Beiträge vor allem auf direkten Witz durch Tagespolitik und Detailreichtum setzten, seien beispielsweise die Beiträge aus China deutlich verrätselter und häufig ins Surreale gewendet. An welchen Qualitätsmaßstäben sich eine Jury da orientiert? „Schwierig“, sagt Mohr. „Irgendetwas steckt in den guten Arbeiten drin, eine bestimmte Kraft, durch die das Gehirn gekitzelt wird.“
Bei seiner eigenen Arbeit, sagt Mohr, gehe es ihm darum, das Durcheinander der Tagespolitik auf den Punkt zu bringen – und eine Atmosphäre zu kreieren, die für eine bestimmte Zeitspanne charakteristisch ist. Bei Politikern arbeite der Karikaturist wie ein Psychologe, „man versucht, hinter die Maske zu schauen und zu interpretieren. Dabei gilt: Je weniger Text erforderlich ist, desto besser.“
Der erste Preis mit einem Preisgeld von 1.500 Euro ging an die Weißrussin Marina Markevitch, als zweiter bekam der Offenbacher Andreas Güde 1.000 Euro und für Platz drei bleiben dem Polen Jacek Lanckoronski 500 Euro. Markevitch gewann auch beim internationalen „Nasreddin Hoca Cartoon Contest“ in der Türkei einen Preis, Lanckoronski ist dokumentiert als Teilnehmer beim internationalen Wettbewerb der Internet-Seite irancaronn.com. In zwei, drei Jahren wird es auch in Osnabrück wieder einen Preis geben. Bis dahin zieht die Gemeinde weltweit weiter. Klaus Irler
Wettbewerbsausstellung mit 60 Exponaten: bis zum 4.12. in der Osnabrücker Kunsthalle Dominikanerkirche