: Ritual der Läuterung
kunst Die Feuerle Collection, eine private Sammlung von alter asiatischer und moderner Kunst, präsentiert sich in einem Bunker
Der letzte Schrei des internationalen Kunstsammler-Jetsets ist offenbar der Bunker. Der Bunker als Showroom für die eigene Sammlung. Die Dialektik dieses Rückzugs hinter bombensicheren Beton aus Weltkriegstagen lautet: Alle sollen sehen, was man zu bieten hat, alle sollen kommen und staunen.
Nachdem schon 2008 Werbeunternehmer Christian Boros mit seiner Sammlung den Luftschutzbunker in der Reinhardtstraße in Mitte bezogen hat, folgt nun ein gewisser Désiré Feuerle mit ähnlicher Strategie. Von Feuerle weiß man wenig, außer dass der 54-Jährige in den 90ern in Köln eine Galerie betrieben hat, dann Ausstellungen kuratierte und nun als Kunstberater offenbar über genügend finanzielle Mittel verfügt, um sich mitten in der Hauptstadt einen Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg zu kaufen. Es handelt sich um den sogenannten Basa-Bunker am Halleschen Ufer in Kreuzberg. Basa steht für Bahnselbstanschlussanlage.
Die Reichsbahn verfügte nämlich über ein eigenes Fernmeldenetz. Ein Steuerungsknoten dieses Netzes lag in dem Gebäude, in dem Feuerle nun traditionelle asiatische und moderne Kunst im Dialog präsentiert. Das Gebäude mit seiner fast vier Meter starken Decke und zwei in der Erde steckenden Tiefgeschossen wurde dazu vom britischen Architekten John Pawson in minimalistischer Manier hergerichtet. Der brutalistische Charme des Rohbetons wurde erhalten und die weiten, von mächtigen Pfeilern gestützten Hallen nur um wenige Zutaten ergänzt.
Zu sehen ist von der Bunkerarchitektur ohnehin wenig, weil alles in Dunkelheit getaucht ist. Dafür erstrahlt die Kunst umso stärker, mit Licht aus dem Dunkel herauspräpariert. Da lächeln Khmer-Skulpturen des 7. bis 13. Jahrhunderts, und exquisite chinesische Möbel präsentieren sich wie überdimensionierte Preziosen, etwa ein ganz im Ornament aufgelöster Stuhl oder ein filigranes Himmelbett aus dem 17. Jahrhundert. Dazwischen eingestreut ist die zeitgenössische Kunst mit Werken von Nobuyoshi Araki, Cristina Iglesias, Ansih Kapoor oder James Lee Byars.
Feuerle macht einiges anders als ein öffentliches Museum. Nicht nur die Mischung aus alt und neu, asiatischer und westlicher Kunst ist ungewohnt, auch jegliche Beschriftung fehlt – und zwar mit Absicht. Feuerle will in andere Welten entführen. Zur Kunst gelangt man deshalb nur, wenn man sich seines Handys entledigt und die Schleuse des „Sound Rooms“ passiert hat, wo man mittels Klängen von John Cage auf jene andere Welt der Schönheit und Exotik eingestimmt wird.
Dieses erzwungene Ritual der Läuterung, das sich in der erzwungenen Desorientierung im Ausstellungsdunkel fortsetzt, mag nicht jedermanns Sache sein. Spiegel an den Wänden, manchmal auch Wände ganz aus Glas, mit Ausblicken in noch tiefere Räume, wo wiederum Wasser die Szenerie spiegelt, heben die Unterschiede von Schein und Sein auf. Goldglitzernde Kunstwerke wie die von Wasser durchflossene „Quelle“ von Iglesias oder der spiegelnde „Torus (Wulst)“ von Kapoor reflektieren einmal mehr die Räumlichkeiten wie die Konzepte, die den Bunker nun in eine Art Pharaonengrab verwandelt haben, halb Schatzkammer, halb Gruft.
Die diesjährige Berlin Biennale von Juni bis September wird sich des Bunkers, eines ihrer Hauptorte, auf andere Weise annehmen. Die Feuerle Collection ist zunächst nur bis 7. Mai. geöffnet (11–19 Uhr, nur nach Anmeldung unter www.thefeuerlecollection.orgals). Die offizielle Eröffnung erfolgt dann erst im Oktober. Ronald Berg
Feuerle Collection, Hallesches Ufer 70
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen