: Abfall im Schacht
Eisenerzabbau und Atomabfall, Planverfahren und Protest: Die Geschichte des Schachts Konrad
HANNOVER taz | 1965 begann die Salzgitter Erzbergbau AG mit der Förderung im Schacht Konrad. Bis 1976 wurden 6,7 Millionen Tonnen Eisenerz abgebaut. Danach lohnte sich der Abbau nicht mehr. Auf die Idee, den Schacht als Endlager für schwachradioaktive Abfälle zu nutzen, kam die Belegschaft, um ihre Arbeitsplätze zu sichern. Die 150 Millionen Jahre alte Erzlagerstätte ist trocken und wird von 400 Meter dicken Tonschichten umschlossen. Sie bilden eine solide Barriere zum Grundwasser und damit zur Biosphäre. So sah das jedenfalls die damalige Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung, die das Bergwerk im Auftrag der Bundesregierung untersuchte. Der Bund kaufte es und leitete 1982 ein Planfeststellungsverfahren für Bau und Genehmigung eines Atomendlagers ein.
Die Reaktion der Atomkraftgegner folgte prompt mit Demonstrationen. Und bis 1991 brachten Bürgerinitiativen, Umweltverbände sowie die Kommunen Salzgitter, Braunschweig und Wolfenbüttel 290.000 Einwendungen zusammen, die der niedersächsischen Umweltministerin Monika Griefahn (SPD) übergeben wurden. Dass der Planantrag bis dato mehrmals geändert wurde, zeigt, dass die Befürchtungen nicht unbegründet sind. Unter anderem gilt als Endlagerkriterium nicht mehr die Dosisleistung („schwach- und mittelaktiv“), sondern die Wärmeentwicklung. Konsequenz der Bundesregierung: Der Schacht sei geeignet, 95 Prozent aller radioaktiven Abfälle der BRD aufzunehmen. Gegner und Anrainer fürchten, der Schacht mutiere zur radioaktiven Sperrmülldeponie. In der Folgezeit lieferten sich die Kohl-Regierung und Gerhard Schröders rot-grünes Landeskabinett einen juristischen Kleinkrieg, der bis ins Jahr 2000 währte. Schröder, inzwischen Bundeskanzler, schloss mit den Energiekonzernen den Atomkonsens. Er bedeutete für Schacht Konrad: Niedersachsen wickelt 2002 das Planfeststellungsverfahren ab, dafür verzichtet der Bund auf den sofortigen Vollzug und wartet die gerichtliche Überprüfung im Hauptsacheverfahren ab. Alle Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss wurden abgeschmettert. Somit dürfen ab 2013 303.000 Kubikmeter radioaktiver Abfälle im Schacht gelagert werden. Kosten bis heute: 900 Millionen Euro. MICHAEL QUASTHOFF