Markus Völker über den Wechsel von Mats Hummels nach München: Boulevard der Möglichkeiten
Mats Hummels hat in Dortmund ein Fußballleben in der Diaspora geführt. Als der FC Bayern noch nicht von seinen Fähigkeiten überzeugt war, verschickte er den Abwehrspieler in ein Städtchen an der Ruhr. Dort reifte der Mann in einem gelben Trikot, wehrte nicht nur Bälle ab, sondern zeichnete auch immer wieder wunderbare Parabeln von der Abwehr bis in den Angriff. Das tat er, wenn man so will, mit geometrischer Grandezza.
Zu alldem bewegt Hummels sich gravitätisch, irgendwie münchnerisch. Er scheint nie zu schwitzen oder sich großartig anstrengen zu müssen. Nach dem Spiel hält er im Beisein von Journalisten Proseminare ab. Logisch, dass so einer das gelbe Trikot tauscht gegen ein rotes. Es hat so kommen müssen, auch wenn die Fans des BVB nun wieder Verrat wittern. Wer will es ihnen verdenken, haben die Münchner doch zuletzt Robert Lewandowski und Mario Götze gekauft und damit unter Beweis gestellt, dass sie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen können: das eigene Team verstärken und den Gegner schwächen.
Das bajuwarische Wildern bei der direkten deutschen Konkurrenz ist clever – und es kaschiert ein Defizit. Die Jugendarbeit der Münchner ist nicht besonders gut. In der Fußball-Bundesliga der A-Jugendlichen belegt der große FC Bayern München nur den achten Platz, hinter 1860 München oder Greuther Fürth. In der Champions League der Nachwuchsmannschaften, der Uefa Youth League, wurde der FC Bayern Gruppenletzter, verlor gegen Piräus und Zagreb. Es könnte also dauern, bis die Münchner wieder Eigengewächse wie Lahm, Müller oder eben Hummels in die erste Elf integrieren können.
Aber die Kärrnerarbeit der Talentförderung müssen die Bayern ja gar nicht selbst erledigen. Sie heben einfach ein paar Millionen vom Festgeldkonto ab und kaufen in der näheren Umgebung ein. Die Bundesliga ist auch in dieser Hinsicht ein Boulevard der Möglichkeiten für den FC Bayern.
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