piwik no script img

Berliner SzenenOnkel Toms Hütte

News aus Istanbul

„Haben Se Glück, ist heute gerade sauber gemacht worden“

Seit Kurzem bringt mich ein kassenfinanziertes Sportprogramm in Stadtteile, in denen ich mich nicht so auskenne. Gestern zum Beispiel ins südliche Zehlendorf, U-Bahnhof Onkel Toms Hütte. Das klang fremd, und das war es mir auch.

18.30 Uhr, bis Laufbeginn ist noch Zeit, und ich bräuchte eine Toilette. Am U-Bahnhof ist keine, aber da ist diese nette, kleine Ladenzeile. Eiscafé und Bistro haben schon geschlossen, fremde Welt: geschlossen in Berlin um 18.30 Uhr! Keins der vielen Hinweisschilder zeigt ein WC. Vielleicht gibt es ja wenigstens so einen Wall-Automaten wie bei uns am U-Bahnhof Pankow? Gibt es nicht.

Der große neue Rewe in meinem Heimatkiez hat doch eine Kundentoilette, fällt mir ein. Also ab in den Supermarkt. Der ist klein und alt. Aber eine Toilette müssten sie haben. An der Kasse sitzt ein kleiner Mann mittleren Alters. Hellbraune Haare, zu einem lustigen kleinen Dutt hochgesteckt. Auf meine Frage nach einem Klo steht er gleich auf. „Kommen Se. Ick geh mal mit, damit Se nicht die Seife klauen!“ Er durch den Laden, ich hinterher. „Haben Se Glück, ist heute gerade sauber gemacht worden. Ist eigentlich nicht für Kunden, nur für uns Anjestellte.“

Als ich mir die Hände ­wasche, sagt er plötzlich „Also, man kann ja über den Erdoğan sagen, was man will. Ich find den ja auch nicht gut.“ Was jetzt wohl kommt? „Aber letztens war ick in Istanbul, zum ersten Mal. Und ick musste da wirklich dringend. Schwache Blase. Frag ich jemanden nach‘nem Klo. Ich sprech nicht so gut Türkisch. Obwohl ich ja Türke bin. Zeigt der dahin und dorthin – überall Klos. Auch in den U-Bahnhöfen. Ick hab vier Jahre bei der BVG gearbeitet. Ick kenn die U-Bahn in Berlin. Hier gibt’s das nicht. Nirgends. Wenn Se mal Zeit haben, fahren Se mal nach Istanbul. Nicht nur wegen der Klos.“ Gaby Coldewey

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen