Nofretete und die Anti-Faltenmaske

Fast alles wie heute: Schon im Altertum war Kosmetik populär. Erst mit dem aufkommenden Christentum kamKritik auf. Clemens von Alexandrien hielt Schminken gar für den Ausdruck einer schlimmen Seelenkrankheit

Obwohl Schönheit, und damit auch die Schminkkunst, Sauberkeit und Hygiene im alten Ägypten sogar gesetzlich vorgeschrieben waren, sahen heidnische Dichter die dekorative Kosmetik gleich als Vorzeichen für einen Moralverstoß. Und auch für das später aufkommende Christentum war die wahre Schönheit innerlich. Die Kirchenväter lehnten jede künstliche Veränderung der von Gott geschaffenen Erscheinung ab. Ungeachtet dessen interessierte sich die antike Damenwelt zunehmend für das Make-up.

„Die ägyptische Schminkkunst war so fortschrittlich wie sonst kaum in der Weltgeschichte. Bis heute lässt sich vieles davon wiederfinden“, sagt Maren Saiko, Philologin an der Ruhr-Universität Bochum, die dem Geheimnis der Schönheit Nofretetes, Kleopatras und ihrer Zeitgenossinnen auf der Spur ist. So waren Kajalstifte, in hohle Pflanzenstiele gefüllt, ausgehärtet und angespitzt, für eine eindrucksvolle Augenumrandung sehr beliebt. Männer und Frauen trugen zunächst eine ockergelbe bis dunkel orangefarbene Gesichtsgrundierung auf, zogen mit blauer Farbe Venen und Schläfenlinie nach, legten Rouge auf Wangen und Lippen und schminkten die Augenlider mit verschiedenen Farbpigmenten. Nägel, Handinnenflächen und Fußsohlen wurden durch rötliches Henna verziert, die Haut mit Tätowierungen geschmückt und Goldpuder auf die Brustwarzen gestäubt.

„Bis auf die Grundierung war alles fast nach heutigem Geschmack“, findet Maren Saiko, die zu dem Thema soeben ein Buch vorgelegt hat. Die Anti-Faltenmaske aus einem Milchmix mit Weihrauch, Wachs, frischem Olivenöl und Cyperus blieb allerdings sechs Tage lang auf dem Gesicht. Aus der historischen Überlieferung wissen wir zunächst weniger über die dekorative Kosmetik als über die Heilkunde. Von dem berühmten griechischen Arzt Galen (129 bis 216 n. Chr.) und seinen Nachfolgern sind zum Beispiel Rezepturen gegen Hautausschläge oder Wundbehandlungen bekannt. Vor allem die griechische und lateinische Dichtung gibt schließlich Einblick in die Schönheitspflege. „Aristophanes liefert in der 411 v. Chr. entstandenen Komödie Lysistrata das erste uns bekannte literarische Zeugnis für dekorative Kosmetik im Sinne von Rouge, Lidschatten oder Lippenstift“, so die Bochumer Altphilologin. Die größte Neuerung der Griechen hinsichtlich des Make-ups war das Bleiweiß oder Bleikarbonat zur Grundierung des Gesichts. Es blieb – obwohl gesundheitsschädlich – viele Jahrhunderte die am weitesten verbreitete Schminke.

Der überwiegende Teil der von Maren Saiko ausgewerteten Autoren zeigte sich kritisch gegenüber der Kosmetik: Für Plutarch (46 bis etwa 120 n. Chr.) gerät die gleichberechtigte Partnerschaft aus der Balance, wenn eine geschminkte Frau unnötig künstlicher aussieht. Martial (etwa 40 bis 100 n. Chr.) spottet: „...wenn du nachts unter 100 Salbendosen verborgen liegst, dein Gesicht nicht mit dir zusammen schläft“ und kritisiert das Auflegen von Make-up und den Parfümgebrauch als Ausdruck mangelnder Hygiene, insbesondere nach oralem Geschlechtsverkehr. Ovid (43 v. Chr. bis 17/18 n. Chr.), der Dichter der Amores, sieht dagegen in der Kosmetik eine unterstützende Pflege mit dem Ziel, die eigenen naturgegebenen Reize hervorzuheben.

In seiner Medicamina faciei feminae – ein Beispiel für die Poetisierung trockener, technischer Rezepturen – gibt er fast mit jedem Rezept ein Erfolgsversprechen ab: So sollen Gesichtspackungen aus Gerste, Erve, toskanischem Dinkel, Eiern, Hirschhorn, Narzissenzwiebeln, Gummi und Honig für einen strahlenden Teint sorgen. Er empfiehlt einen Reinigungszusatz aus Lupinensamen, Bohnen, Bleiweiß, rotem Nitrum und Iriswurzeln für eine geschmeidige Haut. Zwar ist Kosmetik für Plinius (23/24 bis 79 n. Chr.) Ausdruck weiblicher Verschwendungssucht, dennoch sind bei ihm Rezepte gegen Falten, Sommersprossen, spröde Lippen oder Blässe nachzulesen. Mit dem aufkommenden Christentum nimmt die Kritik an Schärfe zu: Schminken und Färben deuten eine Krankheit tief unten in der Seele an (Clemens von Alexandrien, 140/150 n. Chr.) und Gregor von Nazianz (326 bis 390 n. Chr.) hält Schamröte für die einzig erlaubte Farbe im Gesicht einer Frau. Die Kirchenväter warnen vor der Höchststrafe – der Abkehr Gottes. H. ELFES

Maren Saiko: „Cura dabit faciem. Kosmetik im Altertum“, Wissenschaftlicher Verlag Trier, 34,50 Euro