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„Hör doch einfach erst mal zu!“ Diesen Rat soll der Komponist Friedrich Goldmann einem Musiker gegeben haben, als dieser wissen wollte, wie man mit Stücken umgeht, zu denen einem der Zugang fehlt. Goldmann selbst betrieb in seinen Werken zwar reichlich Konstruktionsaufwand, um deren Material weiterzuentwickeln, zugleich bestand er aber darauf, dass sich seine Kompositionen beim Hören bewähren müssen, ohne zuvor theoretisch aufgeschlüsselt worden zu sein.

Goldmann, der zu den führenden Komponisten der DDR gehörte und seit 1991 an der UdK lehrte, schrieb keine Musik, die sich von herkömmlichen Formen des Musizierens um jeden Preis entfernte, um ihre Innovationen zu behaupten. Sein Forscherdrang äußerte sich weniger in spektakulären Gesten als in feinen Details des Übergangs. Oft reichte ihm ein einzelner Ton, um zu zeigen, dass es um dessen Selbstverständlichkeit gar nicht so weit bestellt ist.

„Four Trios One Quartet“ ist die zweite Veröffentlichung mit Goldmanns Musik auf dem Label Macro Recordings, das von seinem Sohn, dem Musiker Stefan Goldmann, betrieben wird. In dieser Auswahl an Kammermusik kann man Goldmanns Entwicklung von den sechziger Jahren bis 2004 – er starb 2009 – stichprobenartig nachvollziehen und Kontinuitäten entdecken. So bevorzugt Goldmann ein übersichtliches Klangbild ohne heftige Massierungen, stillere Dynamiken und ruhigere Bewegungen. Die Musik ist klassisch im besten Sinne: ein freies Spiel der Töne, die etwas auszudrücken scheinen, von dem man sich – wie auch immer – angesprochen fühlen kann. Die „Abwesenheit von Musik in der Neuen Musik“ ging Goldmann nämlich „auf den Keks“.

Musik, die sich als solche zu erkennen gibt, bietet ebenfalls das Trio Arbeit Schickert Schneider mit seinem Debütalbum „ASS“. Und nein, dies ist keine tönende Kopfschmerztablette. Wenn man die Platte der Gitarristen Jochen Arbeit, Günter Schickert und Schneider TM unter ungünstigen Bedingungen hört, kann sie womöglich eine Migräne verstärken. Sollte sie aber nicht. Dieser Bastard aus Echodrive-Loops, freilaufenden Drones, handverlesener Elektronik und einer kräftigen Schaufel Verzerrer-Schmutz macht seinen ganz eigenen Raum auf, in dem es ein bisschen dunkel aussieht, sich dafür warm genug anfühlt, um Geborgenheit im Bass zu fühlen. Tim Caspar Boehme

Friedrich Goldmann: „Four Trios One Quartet“ (Macro Recordings/Wordandsound/Alive)

Arbeit Schickert Schneider: „ASS“ (Bureau B/Indigo), live am 4. 5., Badehaus Szimpla

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