: Vielfalt war mal
MONOPOL Eine Studie zeigt, wie dramatisch die Medienkonzentration in Nordrhein-Westfalen fortschreitet
von Wilfried Urbe
Wer in den vergangenen Jahren die Entwicklungen der Printzeitungen verfolgt hat, dürfte kaum überrascht sein von der Studie, die die Landesmedienanstalt NRW in Auftrag gegeben hat. Landesweit werden Zeitungen geschlossen, Redaktionen verkleinert und zusammengelegt. Dass damit auch die Vielfalt verloren geht, ist naheliegend. Das genaue Ausmaß der Pressekonzentration ist dennoch beeindruckend. Der Medienwissenschaftler Horst Röper vom Dortmunder Formatt-Institut hat es für Nordrhein-Westfahlen untersucht und festgestellt: Rund die Hälfte der etwa 18 Millionen Menschen in dem Bundesland hat nur noch eine Lokalzeitung zur Auswahl. 2012 waren es nur 28 Prozent.
Genauso dramatisch: In den monopolisierten Gebieten mit nur noch einer Lokalzeitung, sinkt das Engagement der Berichterstattung gegenüber den Gegenden, in denen mindestens zwei Wettbewerber um Leser konkurrieren. Darunter leidet die Qualität – auch deshalb, weil immer weniger Journalisten immer mehr Arbeit machen. Die Journalisten, deren Stellen nicht gestrichen werden, haben kaum noch Zeit für eigene Recherchen. Stattdessen übernehmen sie vorgefertigte Pressemeldungen.
Einer der wichtigsten Gründe für diese Entwicklung, so Zeitungsforscher Röper: „Innerhalb der großen Verlagsunternehmen sind Lokalredaktionen zusammengelegt worden. Es existieren zwar mehrere Titel, die aber über einen identischen Lokalteil verfügen.“
So ist das etwa bei der Westfälischen Rundschau in Dortmund, wo 120 Dortmunder Mitarbeiter entlassen wurden und nun der Konkurrent Ruhrnachrichten die Lokalseiten liefert. Für Exchefredakteur Malte Hinz ist das „die schlimmste und zugleich gruseligste Erfahrung, die ich in 44 Jahren hauptberuflicher journalistischer Arbeit gemacht habe“. Die Westdeutsche Zeitung hat bis auf wenige Ausnahmen ihre Lokalredaktionen ebenfalls dichtgemacht.
„Dabei haben wir in unserer Zählung noch nicht einmal die Zeitungen und Verlage mit einbezogen, die Kooperationen eingegangen sind“, sagt Röper weiter. „Am Niederrhein kooperieren beispielsweise Rheinische Post und NRZ, das heißt, dort werden komplette Berichte oder Seiten vom jeweils anderen übernommen.“ Ähnlich wird das auch im Raum Köln praktiziert, wo der Medienwissenschaftler Röper bereits starke Überschneidungen zwischen der lokalen Berichterstattung in Kölner Stadtanzeiger und Kölnischer Rundschau festgestellt hat: „Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis hier auch Zusammenlegungen stattfinden. Wir werden bald fast nur noch Lokalmonopole vorfinden. Ich denke, dass die Quote in drei bis vier Jahren auf 80 Prozent angestiegen ist.“
Das aktuelle Niveau in NRW entspricht damit dem Bundesdurchschnitt. Im Saarland, in Rheinland-Pfalz und in Mitteldeutschland sieht die Situation bereits ähnlich aus. Nachdem in Mittel- und Ostdeutschland nach der Wende die Westverlage die ehemaligen DDR-Zeitungen übernommen hatten, waren damit bereits vor über 20 Jahren Konzentrationsverhältnisse etabliert, wie sie jetzt auch an Rhein und Ruhr eingetreten sind.
Dass es überhaupt so weit gekommen ist, liegt an der dramatisch verschlechterten wirtschaftlichen Situation der Printmedien. Anzeigenerlöse und Leserschaft sinken immer weiter, ein Rezept, wie sich das Internet als ernsthafte Quelle für Einnahmen nutzen lässt, ist noch nicht gefunden. Das gilt auch für die lokalen Onlineportale, die bis zu einem gewissen Grad auch eine Hoffnung für lokale Berichterstattung sind.
Insgesamt existieren mittlerweile 93 solcher Angebote in NRW. „Es sind oft Einzelanbieter beziehungsweise Einzelkämpfer“, hat Röper festgestellt. Das Erstaunliche für ihn: Die Angebote sind mehrheitlich in den Landkreisen angesiedelt, nur 22 in den Großstädten. Neben „Blaulichtberichterstattung“ gibt es auch spezialisierte Portale für Wirtschaft, Sport oder Kultur. Wirtschaftlich etablieren konnte sich aber noch keines.
„Die Hoffnung ist, dass sich die Onlineangebote stabilisieren werden“, resümiert Röper. Der zunehmenden Medienkonzentration werde das aber nicht entgegenwirken, glaubt der Wissenschaftler. „Wir gehen davon aus, dass sich die lokaljournalistischen Angebote weiter verringern werden.“
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