Selbst gewählte Unzufriedenheit

Immer weniger Leute gehen wählen. Und die geplante Wahlrechtsreform ist auch weithin unbekannt, so eine Studie

Bremen taz ■ Die Bremer wollen Personen, keine Parteien wählen. Gleichzeitig sind fast zwei Drittel aller Bremer unzufrieden mit der derzeitigen Landespolitik. Das ist das Ergebnis einer nicht-repräsentativen Umfrage, die der Bremer Politikwissenschaftler Lothar Probst gestern im Parlament vorstellte.

Befragt wurden 150 BremerInnen und BremerhavenerInnen aus sechs Stadtteilen. Hintergrund der Studie ist die seit Jahrzehnten kontinuierlich sinkende Wahlbeteiligung in Bremen – und die Diskussion um eine Reform des seit 50 Jahren fast unveränderten Wahlrechts. Bei der letzten Bürgerschaftswahl gaben nicht einmal 60 Prozent aller Wahlberechtigten ihre Stimme ab, 1971 waren es noch 80 Prozent. Damit liegt Bremen im Ländervergleich nur im unteren Drittel. „Eine bedenkliche Entwicklung“, so Probst.

Von der geplanten Wahlrechtsreform in Bremen hat bislang noch nicht einmal jeder Dritte der Befragten schon gehört. „Das ist ein Stimmungstrend, der durchaus verallgemeinerbar ist“, glaubt Probst. Zwei Drittel aller Befragten sprachen sich für die Einführung von Wahlkreisen aus, die allerdings nicht mit der gegenwärtigen Landesverfassung vereinbar sind. Drei Viertel votierten dafür, künftig nicht nur Parteien, sondern auch einzelne Kandidaten direkt wählen zu können. Auch die Idee, parteiunabhängige Kandidaten zu wählen, fand großen Anklang.

Skeptisch stehen die befragten WählerInnen dem Kumulieren und Panaschieren gegenüber, also der Stimmenhäufung bzw. der Verteilung der Stimmen auf unterschiedliche Listen. Zwar liegt die Zustimmungsquote laut Studie hier immer noch bei knapp 50 Prozent – doch jeder vierte Befragte findet das Kumulieren und Panaschieren „eher schlecht“. Zu „abschrecked“ wirke die Vorstellung, fünf bis zehn Stimmen auf unterschiedliche Parteien und Kandidaten verteilen zu können, sagt Probst. Ohnehin sei es „illusorisch“, hiervon eine höhere Wahlbeteiligung zu erwarten.

Probst hofft, durch mehr Probewahlen in den Schulen langfristig das Interesse an der Politik steigern zu können. Wer kurzfristig etwas erreichen wolle, könne vielleicht durch Nichtwählerkampagnen mit Promis mehr Leute an die Urne locken. Oder mit Wahllokalen, die ihren Namen verdienten – und in die Kneipe verlegt würden. mnz