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Archiv-Artikel

„Traumata durchbrechen“

KUSCHELN Heidi Strombecks „Kuschelzeit“ soll vor Krankheiten und Depressionen schützen

Von SCHN
Heidi Strombeck

■ 57, ist ist ausgebildete und mobile Masseurin in Büros, Kuschel-„Coachin“ und „Menschin“.

taz: Frau Strombeck, es erscheint ein wenig befremdlich, 15 Euro zahlen zu müssen, um mit wildfremden Menschen zu kuscheln ...

Heidi Strombeck: Wenn ich schon „wildfremd“ und „müssen“ höre! Die Menschen, die zur Kuschelzeit kommen, leiden unter einem großen Defizit an Zärtlichkeit, und einige kommen bereits seit sieben Jahren regelmäßig her. Heute nimmt man sich ja immerhin auch unter Freunden mal in den Arm, aber das ist ja noch nicht lange so. Was glauben Sie, warum so viele ältere Leute so oft zum Arzt gehen? Ich bin überzeugt davon, dass viele von ihnen einfach mal eine Berührung brauchen, die sie sonst nicht bekommen. Auch ein Besuch beim Masseur hat oft damit zu tun.

Gut, aber Kuscheln nach Termin? Immerhin trifft sich die Kuschelgruppe ja nur alle zwei Wochen.

Das stimmt, aber einige Teilnehmer treffen sich mittlerweile auch privat zum Kuscheln und tun zu Hause das, was sie auch hier machen.

Was genau ist das denn?

Es hat jedenfalls nichts mit Sex zu tun, sondern damit, sich selbst zu entdecken, Nähe zuzulassen und auch, kleine Traumata zu durchbrechen: Unterschiedliche Generationen kuscheln miteinander, das ist wie das Kuscheln zwischen Kindern und Eltern. Viele durften nie mit beiden Eltern gleichzeitig kuscheln, die wurden rausgeschmissen, wenn sie sich zu ihnen ins Bett gelegt haben – das können sie nun „nachholen“. Und: Kuscheln ist gesund, es unterstützt das Immunsystem, baut Stresshormone ab und hilft gegen Depressionen.

Und was ist Ihre Rolle dabei?

Ich gebe der Kuschelzeit Struktur und wärme die Teilnehmer auf. Es gibt eine Vorstellungsrunde, Bewegungs- und Kontaktimprovisationen und Ja-Nein-Übungen. Die sind ganz wichtig, damit die Menschen deutlich sagen können, wie viel Nähe und Distanz sie brauchen und wollen. Und erst dann geht es auf die Matten und Decken – und auch da begleite ich die Menschen. Und zum Schluss gibt es eine Feedbackrunde.

Kommen auch Paare zu Ihnen?

Ja, und es kommen auch Einzelpersonen, die in Partnerschaften leben, denen aber auch da die körperliche Nähe und Zuwendung fehlt.

Um welche Jahreszeit kommen die meisten Menschen zu Ihnen?

Im Winter: Die Menschen sind in der kalten und dunklen Jahreszeit schon ein bisschen sehnsüchtiger als im Sommer. INTERVIEW: SCHN

19 Uhr, Alleins, Kornstr. 81