„Das ist wie zu DDR-Zeiten“

THÜRINGER ALLGEMEINE Redakteure beklagen Zensur durch WAZ-Verlag

Der Protest gegen die Absetzung des Chefredakteurs der Thüringer Allgemeinen (TA), Sergej Lochthofen, und dessen Ehefrau und Stellvertreterin, Antje-Maria Lochthofen, hält an. Auf der Medienseite der Zeitung fordern die Mitarbeiter: „Chefredakteur soll bleiben“. Gestern bildete sich auch ein Redaktionsrat, der die interne Kommunikation übernehmen soll.

Am vergangenen Donnerstag wurde der Redaktion um 15.59 Uhr per Mail des Geschäftsführers Klaus Schrotthofer mitgeteilt: „Es wird einen Wechsel in der Chefredaktion geben.“ Weiter heißt es, „wir müssen Spielräume für hochwertige journalistische Arbeit eröffnen“, wobei: „angesichts der ökonomischen Rahmenbedingungen werden uns kaum zusätzliche Ressourcen für diese anspruchsvollen Aufgaben zur Verfügung stehen“. Dies hat die Mitarbeiter zu der Forderung veranlasst: „Es darf keine betriebsbedingten Kündigungen geben.“ Zudem müsse die Eigenständigkeit der Redaktion gewahrt bleiben.

Im Interview mit der Zeitung zeigt Schrotthofer „Verständnis für die Betroffenheit“. Dennoch sei die „Thüringer Allgemeine nicht identisch mit der Person des Chefredakteurs“, daher erwarte Schrotthofer mehr Selbstbewusstsein von der Redaktion.

Ein Redakteur beklagt unterdessen die Anweisung der Verlagsleitung, ihr alle redaktionellen Beiträge vorzulegen, die zu dem Thema erscheinen sollen. Bei einem Gespräch des Redaktionsrats gestern mit der Geschäftsführung wurde dies kritisiert; auch kritische Leserbriefe seien zurückgehalten worden. „Das habe ich zuletzt in der DDR erlebt, als die Beiträge der SED-Bezirksleitung gezeigt werden mussten“, so ein Redakteur.

Das Interview, das der ehemalige Journalist Schrotthofer der TA gab, ließ er sich autorisieren – eine Praxis, die Lochthofen für sich stets abgelehnt hatte. „Wir wollen nicht die journalistische Unabhängigkeit der Redaktion antasten“, heißt es in Schrotthofers Mail. KAI SCHLIETER