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Archiv-Artikel

Grenzen der Gier

Ackermann und Co. müssen zittern: Der Bundesgerichtshof prüft ihren Freispruch im ersten Mannesmann-Prozess kritisch

aus Karlsruhe CHRISTIAN RATH

Der Freispruch für Josef Ackermann wackelt. Nach dem ersten Stunden in der Revisionsverhandlung beim Bundesgerichtshof deutet manches darauf hin, dass es zu einer Neuauflage des Verfahrens kommen wird. Der Deutsche-Bank-Chef und die anderen Angeklagten, unter ihnen der Ex-IG-Metall-Vorsitzende Klaus Zwickel, müssten sich dann einer neuen monatelangen Beweisaufnahme am Landgericht Düsseldorf stellen.

Ackermann und Co. war schwere Untreue vorgeworfen worden. Sie hatten im Zuge der Übernahme des deutschen Mannesmann-Konzerns durch den englischen Konkurrenten Vodafone im Frühjahr 2000 millionenschwere „Anerkennungsprämien“ an Mannesmann-Vorstandsmitglieder genehmigt. Allein der damalige Vorstandsvorsitzende Klaus Esser erhielt 16 Millionen Euro – einfach so. Als dies bekannt wurde, war der öffentliche Aufschrei über die „Selbstbedienungsmentalität“ der Manager groß, schließlich ermittelte die Staatsanwaltschaft und erhob Anklage. Doch im Juli 2004 wurden alle sechs Angeklagten freigesprochen. Generalbundesanwalt Kay Nehm ging in Revision.

Gestern standen nun zwei Bundesanwälte einer Armada von neun Spitzenverteidigern gegenüber. Während die Anwälte zu ebenso langen wie langatmigen Vorträgen ansetzten, kam Bundesanwalt Gerhard Altvater meist schnörkellos auf den Punkt. „Die Prämie an Klaus Esser war nicht im Unternehmensinteresse und deshalb als Untreue zu Lasten von Mannesmann strafbar.“

Altvater sah keinen Grund, warum Esser zusätzlich zu seinem Honorar eine „doppelte Vergütung“ bekommen sollte. „Esser wollte Mannesmann verlassen, deshalb konnte ihn die Prämie weder für weitere Leistungen motivieren noch ihn an das Unternehmen binden.“ Anwalt Kempf hielt entgegen: „Esser hat die Prämie für seinen Erfolg erhalten, für die enorme Wertsteigerung des Unternehmens.“ Dies konnte der Aufsichtsrat auch nachträglich honorieren, so Kempf.

Damit konnte er die Richter nicht beeindrucken. „Es gäbe kein Problem, wenn mit Esser von vornherein ein Bonus für gute Leistungen vereinbart worden wäre“, sagte Richter Gerhard von Lienen, „aber so eine Klausel gab es in Essers Vertrag nun mal nicht.“ Der Senatsvorsitzende Klaus Tolksdorf erläuterte seine Haltung an einem Beispiel: „Wenn ein Landgut in einen Golfplatz umgewandelt wird und der Gärtner deshalb gekündigt wird, kann ihm der angestellte Gutsverwalter auch nicht einfach eine Prämie für gute Leistungen auszahlen, wenn dies nicht vereinbart war. Da er hier Wohltaten mit fremdem Geld verteilt, wäre dies eine Untreue zu Lasten des Landeigentümers.“

Bei Mannesmann lagen die Dinge freilich etwas komplizierter, denn der neue Eigner Vodafone war mit der Prämienzahlung an Esser, die der Großaktionär Hutchinson Wahmpoa angeregt hatte (siehe unten), durchaus einverstanden. Das ließen Bundesanwaltschaft und BGH aber nicht gelten. „Im Frühjahr 2000 hatte Vodafone nur 98 Prozent der Mannesmann-Aktien inne“, so Bundesanwalt Altvater, „erst im Sommer 2002 wurden die letzten Altaktionäre abgefunden.“ Bis dahin müsse das Interesse von Mannesmann eigenständig bestimmt werden.

Nicht nur an diesem Punkt entpuppte sich die juristische Auseinandersetzung als ziemlich weltfremde Angelegenheit. Anwalt Hamm brachte die Scheinheiligkeit auf den Punkt: „Wir tun hier so, als ob es nur um die Zulässigkeit der Prämie ginge, tatsächlich säßen wir nicht hier, wenn Esser statt 30 Millionen nur 3 Millionen erhalten hätte.“ Klaus Esser, als einziger der Promi-Angeklagten nach Karlsruhe gekommen, saß mit verkniffener Miene daneben. Kein einziges Mal lächelte er, vielleicht um nicht so arrogant wie Ackermann zu wirken, der in der ersten Instanz die Hand zum Victory-Zeichen erhoben hatte.

Bei Redaktionsschluss dauerte die Verhandlung noch an. Dann sollte es vor allem um die Gründe gehen, die am Landgericht Düsseldorf zum Freispruch führten. Die dortige Richterin Koppenhöfer hatte die Zahlung der Prämien zwar wie die Bundesanwaltschaft als aktienrechtlich unzulässig angesehen. Die Pflichtverletzung sei aber nicht „gravierend“ genug gewesen, um sie als Untreue zu bestrafen. Richter Walter Winkler deutete an, dass er jeden „eindeutigen“ Verstoß gegen das Aktienrecht als strafbare Untreue werten will.

Außerdem könnte der Freispruch auch an einem weiteren Punkt scheitern. Bundesanwalt Ralf Wehowsky kritisierte, dass das Landgericht den Managern einen „unvermeidbaren“ Verbotsirrtum zugebilligt hat. Der Freispruch sei aufzuheben, weil der Verbotsirrtum „vermeidbar“ war.

Das Urteil wird vermutlich erst in einigen Wochen verkündet.