WOCHENENDLÄSTERN VON ANNE HAEMING
: Twittern statt zappen

Sie kennen doch diese Menschen, die beim Fernsehen permanent quasseln. Die Krimi-Dialoge kommentieren, über doofe Wetter-Vorwerbung lästern und über das schiefe Gesicht von Claus Kleber staunen.

Mal ehrlich, ohne diesen Live-Kommentar wäre Fernsehen noch viel langweiliger, als es streckenweise sowieso schon ist. Was ein Glück, dass es Twitter gibt. Egal ob beim „Tatort“, „Wer wird Millionär?“, „Hart aber fair“ oder „The Voice of Germany“, selbst „Wetten, dass..?“ kann man so ertragen, weil man weiß: Ich bin nicht allein. Die anderen finden’s auch scheiße.

Wenn es 2012 ein Fernseh-Buzzword gab, dann war das – Lanz mal ausgenommen – sicher Social TV. Allen voran natürlich das Experiment von BR-Mann Richard Gutjahr, der im Spätfrühling für vier Wochen den Sendeplatz nach den Spätnachrichten gekapert hatte für die „Rundshow“: den Versuch einer Talksendung, in der aus allen Social-Media-Rohren geschossen wurde. Es gab auch eine eigens entwickelte App, mit der Zuschauer ein „Yeah!“ oder „Buh!“ in die laufende Sendung schicken konnten. Was für einen zusätzlichen Unterhaltungswert diese Kommentarkanäle haben, hat im vergangenen Jahr auch Spiegel Online erkannt und eine Extra-Seite eingerichtet, auf der die Tweets zum #tatort zusammenlaufen.

Schwer vorstellbar, aber: Mit einem Auge im Twitterstream ist Jauchs Polittalk sogar lustig. Auf die Idee, umzuschalten, kommt da keiner mehr. Nichts zeigt also deutlicher als die Twitterfeeds, wie überholt die reine Quotenmessung ist: Nur weil keiner wegzappt, heißt es noch lange nicht, dass der Tatort, der Jauch oder was auch immer gut war.

Oder wie es ein Typ mit Twitternamen @wochlop kürzlich erst formulierte: „Jeden Sonntag das gleiche: #tatort und #jauch trenden in den Twitter-Hater-Charts!“

Eine Spitzenquote ist nicht mehr Maßeinheit für gutes Fernsehen, nein. Sie bedeutet seit diesem Jahr: Die parallele Twitter-Lästerei war mal wieder großes Kino.