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Archiv-Artikel

CDU-Provinz fürchtet Linksrutsch

NRW-Nachwuchs der Christdemokraten kritisiert den Kurs der Union nach der Bundestagswahl. Bezirkschefs der Jungen Union: „Basis sehr unzufrieden“. Sorge um Kompromisse mit der SPD

VON MARTIN TEIGELER

Der CDU-Parteinachwuchs in NRW setzt die Parteivorsitzende Angela Merkel unter Druck. Nach dem schlechten Abschneiden der Union bei der Bundestagswahl am 18. September kritisieren Vertreter der Nachwuchsorgansisation Junge Union (JU) den Kurs der designierten Bundeskanzlerin bei den Koalitionsverhandlungen mit der SPD. „Nun müssen unsere Mitglieder und viele Wähler tatenlos zusehen, wie ein zentraler Standpunkt nach dem anderen aufgegeben wird“, heißt es in einem Schreiben der westfälischen JU-Bezirkschefs Dominik Fischer (Sauer-/Siegerland), Christoph Sieker (Ostwestfalen-Lippe) und Sven Volmering (Münsterland).

Auch auf dem seit gestern laufenden „Deutschlandtag“ der JU in Augsburg wollen die Jungkonservativen an diesem Wochenende über die Strategie ihrer Partei debattieren. Die JU-Basis sei „sehr unzufrieden“, heißt es von den Vorsitzenden der drei westfälischen Bezirksverbände, die über 14.000 Mitglieder zählen.

„Wir haben mit der Jungen Union in den letzten zwei Jahren die Hauptlast von vier Wahlkämpfen in der Union getragen und den Reformkurs der letzten Parteitage immer offensiv unterstützt“, so die Bezirkschefs. Deshalb sei es nicht zu vermitteln, dass ein „notorischer Querulant“ wie Horst Seehofer, der sich um Mehrheitsmeinungen in einer demokratischen Partei „einen Teufel“ schere, als Dank für sein Verhalten auch noch mit einem Ministerposten belohnt werde. Seehofer war von Merkel auf Vorschlag von CSU-Chef Edmund Stoiber als Verbraucherschutzminister nominiert worden. Die geplante große Koalition mit den „reformmüden Sozialdemokraten“ gefällt den jungen Christdemokraten überhaupt nicht. Als Zeichen ihres Zweifels fügten die JUler ihrer Pressemitteilung eine Fotomontage bei, die sie vor einem „Sackgasse“-Verkehrsschild zeigt (siehe Foto).

Nicht weniger führungskritisch geben sich die Bundes- und Landesvorsitzenden der JU. NRW-Nachwuchschef Hendrik Wüst warnte gestern in einem Zeitungsinterview davor, für die Kanzlerschaft von Parteichefin Angela Merkel wichtige Unionsziele preiszugeben. „Wir sind dabei, in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD die Politik der Union aufzugeben, nur um die Kanzlerin stellen zu dürfen“, so Wüst. „Wenn wir sowieso sozialdemokratische Politik machen müssen, kann die SPD auch gleich den Kanzler stellen.“

Vor dem „Deutschlandtag“ hatte der aus Bochum stammende JU-Bundeschef und Recklinghäuser Bundestagsabgeordnete Philipp Mißfelder auch CSU-Chef Stoiber kritisiert. Ohne Stoiber beim Namen zu nennen sagte Mißfelder: „Wir haben uns sehr schwer getan, dass einige Ministerpräsidenten angefangen haben, Programmteile des CDU-Programms abzuräumen, bevor die Verhandlungen überhaupt begonnen haben.“ Morgen und übermorgen müssen sich Merkel und Stoiber in Augsburg vor den Kritikern aus NRW erklären.