Kunst des Rumsitzens
: Bezahlt fürs Nichtstun

Hamburger Kunsträume

von Hajo Schiff

Wenn die Arbeitslosenquote sinkt, freuen sich alle. Warum eigentlich sollen und wollen alle immer arbeiten? Es geht vorrangig meist nicht um Arbeit an sich, sondern darum, dafür bezahlt zu werden. Bezahlte Bettentester können Geld im Schlaf verdienen. Doch normalerweise ist Lohnarbeit nicht so leicht. Und obwohl es genug zu tun gibt, gibt es zu wenig Arbeit, die bezahlt wird, schon gar nicht angemessen oder richtig gut.

In der Antike galt das ruhige und jeglicher Verpflichtung ledige Leben, das „otium“ als Ideal. Arbeit war noch nicht in protestantischer Ethik etwas an sich und für die Götter Wertvolles, sondern „negotium“, die bloße, schmerzlich erzwungene Abwesenheit von Muße. Wie wäre es also, für strenges Nichtstun bezahlt zu werden?

Wird probiert! Seit dem 1. März sitzt auf einem Stuhl mitten im Raum eines leer stehenden Ladens in Eimsbüttel ein Mensch, der keine andere Aufgabe hat, als eben dort zu sitzen: täglich von 10 bis 18 Uhr, unterbrochen von geregelten zwei Pausen, dann ist Feierabend. Samstags noch mal vier Stunden. Bei geschlossener Tür, aber mit Sichtkontakt durch die Ladenscheibe. Für einen Monat wird die für nichts Angestellte nach Tariflohn bezahlt.

Im Nichtstun als Arbeit ist diese Person dennoch Akteur: Ihre Nicht-Performance wird gefilmt. Das entfernt an das „bedingungslose Grundeinkommen“, aber auch an nichtsnutzige Frühstücksdirektoren erinnernde Konzept zu dieser Kunstaktion stammt vom Lebenskünstler, Kunst-Sammler und Kunst-Promoter Claus Erbrecht, dem nebenbei auch eine Spezial-Werkstatt für Rolls-Royce-Oldtimer gehört.

„Hauptsache Arbeit“ steht groß am Schaufenster im Stellinger Weg 22. Aber ist es denn so egal, was man tut? Und wie hält man es aus, weder zu telefonieren noch die sozialen Medien zu checken? Ist das bezahlte Herumsitzen jetzt ein Ideal oder bloß pervers? In einem Fragebogen werden die Passanten aufgefordert anzugeben, was sie selbst bereit wären, für einen (neuen) Job zu tun: Das geht von einer „längeren Anfahrt“ bis zu „in einem Atomkraftwerk arbeiten“ oder sogar „Prostitution“.

Für Weiteres steht darüber hinaus der seltsame Arbeitgeber noch einmal am Montag um 18 Uhr zum Gespräch zur Verfügung, ebenso schließlich zur Finissage am Donnerstag vor Ostern, den 24. März, um 18 Uhr. Eins ist klar: Es gibt sehr viele Kunstaktionen, die nicht so viel einbringen.