Wem gehört die Stadt?

RAUMORDNUNG Die Wirklichkeit des öffentlichen Raums ist oft nicht das, was möglich und wünschenswert wäre. Dem geht in der Akademie der Künste eine Reihe von Debatten in der Ausstellung „Demo:Polis“ nach

Sorgt für gute Luft und bleibt hoffentlich unbebaut: das Tempelhofer Feld Foto: Carolina Leite

von Tom Mustroph

Mitten in die Ausstellungshalle der Akademie der Künste am Hanseatenweg hat die Aktivistengruppe „Urban Rights“ vier große Holzsegmente mit geschwungenen Sitzreihen platziert, die zu einem kleinen Amphitheater zusammengeschoben werden können. Darin wird im Laufe der Ausstellung „Demo:Polis“ tatsächlich debattiert. Das Amphitheater ist das zentrale Instrument der Beteiligung an einer Debatte über den öffentlichen Raum, die die Ausstellung verspricht.

Am 15. März waren Stadtaktivisten eingeladen, um sich zum Thema „Haben wir ein Recht auf unsere Stadt“ auszutauschen. Am 22. März stellen Initiativen wie Leerstandsmelder.de unter der Überschrift „Was wissen wir wirklich über unsere Stadt?“ Informationen über Eigentums- und Nutzungsverhältnisse in Berlin zur Verfügung. Am 29. März geht es um „Berlin als Gemeingut“. Ziel der insgesamt sechs Sitzungen ist es, in der Formulierung von „urbanen Rechten“ weiterzukommen und daraus am 24. Mai konkrete Forderungen an die Berliner Politik zu synthetisieren. Ein so offener wie zielgerichteter Prozess also.

Urbane Rechte

Man muss allerdings Eingangshürden überwinden. Die erste ist, überhaupt den Weg in die Ausstellung zu finden. Dort darf man sich nicht daran stören, dass das Modell Amphitheater stark vom symbolischen Gewicht der Polis als einer männlichen Bürgergesellschaft unter Ausschluss von Frauen, Migranten und Depravierten beschwert ist. Andere Raumordnungssituationen wären weniger problematisch gewesen. Doch immerhin, urbane Rechte formulieren zu wollen ist ein so bezauberndes wie wichtiges Unterfangen. Initiator ist die Architekten-und Designergruppe „zuloark“, die vorher mit ähnlichen Arbeiten schon in Spanien und Portugal aktiv war. Sie sammelte dort vor allem per Video Meinungen der Einwohner dazu, was in ihrer Stadt schützenswert, was verbesserungswürdig und was als neues Element oder neuer Gedanke der gesamten Stadt gut tun würde. Die Beiträge der Berliner Befragten, teilweise zu sehen auf www.urbanrights.org/Berlin, kreisten erwartungsgemäß um die Themen bezahlbarer Wohnraum als Grund­voraussetzung für den Zugang zu einer Stadtgesellschaft sowie die Verfügbarkeit von öffent­lichem Raum und dessenSchutz vor kommerziellen Interessen.

Eingebettet ist die Debatte in die Ausstellung „Demo:Polis“. Die enttäuscht im Eingangsbereich zunächst, weil dort der multimediale Galopp durch 150 Jahre Geschichte des Alexanderplatzes gar nicht die Qualitäten des sich gewandelt habenden öffentlichen Raumes in den Blick nimmt, sondern vor allem die Gestaltung durch Baukörper nacherzählt. Interventionen von Besuchern bezüglich der Zukunft des Platzes beschränken sich denn auch meist auf das Spiel: Hochhäuser ja – Hochhäuser nee.

Gut für die Lebensqualität ist dasZurückdrängendes Autoverkehrs

Interessanter ist es in der Nachbarhalle. Da wird unter den beiden Gegensatzpaaren „Szenografie vs. substantielle Gestaltung“ und „Neoliberalisierung vs Demokratisierung“ der meist durch kommerzielle Interessen in die Wege geleiteten Oberflächeninszenierung des Stadtraums eine Absage erteilt. Berlin kommt da mit Stadtschlossattrappe und Fashion-Week-Mäntelchen fürs Brandenburger Tor nicht gut weg, klar. Als guter, nachhaltiger Eingriff, der die Aufenthaltsqualität befördert, stellt sich oft das Zurückdrängen des Autoverkehrs heraus, wie aus den Beispielen Trafalgar Square in London und der Innenstadt von Wismar ersichtlich.

Partizipatives Modell

Als partizipatives Mustermodell schlechthin gilt das Tempelhofer Feld, natürlich ohne jede Neubebauung. Best-Practice-Beispiele sind aber auch die „Ventana al Mar“ – ein von Bewohnern gerettetes Stück Stadtstrand in Puerto Rico –, der Campo de Cebada – eine gemeinschaftlich genutzte Fläche auf dem Gelände eines ehemaligen Stadtbades in Madrid – sowie die Holzbauprojekte, die Architekturstudenten aus dem chilenischen Talca seit mittlerweile über zehn Jahren im gesamten Land unter dem Label „Taller de Obras“ gemeinsam mit Anwohnern realisieren. Zu kritisieren ist in diesem Ausstellungsbereich allenfalls, dass diese Projekte sich mit den Arealen zufriedengeben, die im kommerziellen Verwertungsprozess noch übrig blieben. Wie der öffentliche Raum nicht nur auf Randzonen und „vergessenen“ Flurstücken behauptet, sondern generell wieder zurückerobert werden kann, sollte dann Thema der „Urban Rights“-Diskurse werden.

„Demo:Polis“, Akademie der Künste, bis 29. 5.; „Urban Rights“: 22.3., 29.3., 10.5., 17.5., 24.5, jeweils 19 Uhr