: „Auch Opfer benennen“
Die GAL-Fraktionsvorsitzende Christa Goetsch hat noch Fragen an die Schiffssammlung Peter Tamms
Interview: Petra Schellen
Zwar haben etliche von ihnen die Sammlung zum Zeitpunkt der positiven Senatsentscheidung nicht gekannt, doch dies war kein Versäumnis, das nicht nachzuholen gewesen wäre: Mehr als nur eine Handvoll Politiker haben im Rahmen der Aktion „Künstler informieren Politiker“ die Exponate des umstrittenen Schiffssammlers Peter Tamm, die ab 2007 im Kaispeicher B präsentiert werden soll, in Augenschein genommen. Und einige von ihnen waren durchaus bereit, sich im Anschluss nicht nur ihrem künstlerischen „Paten“, sondern auch der medialen Öffentlichkeit zu stellen. So auch Christa Goetsch, die Fraktionsvorsitzende der GAL.
taz: Welchen Eindruck haben Sie von der Tamm‘schen Sammlung?
Christa Goetsch: Die Masse der Exponate ist natürlich zunächst überwältigend. Denn das ist ja eher eine Ansammlung und keine Ausstellung oder ein Museum – jedenfalls nicht in diesem Zustand. Entscheidend ist daher die Frage: Was passiert beim Aufbau des Museums mit dieser Ansammlung? Denn dass man das alles so, wie es jetzt ist, nicht zeigen kann, ist klar – womit wir bei den zentralen Fragen wären: Wie sieht das Konzept dieses Museums aus? Wie werden die Exponate etwa unter museumsdidaktischen Gesichtspunkten für SchülerInnen aufbereitet?
Braucht Hamburg angesichts dreier schon bestehender Museen mit Schiffen überhaupt ein weiteres Haus dieser Art?
Prinzipiell ist es für Hamburg schon angemessen, ein Museum für Schifffahrt zu haben, aber darin müssen neben Marinegeschichte Handels- und Passagierschifffahrt ebenso vorkommen wie eine kritische Betrachtung etwa des Kolonialismus und der Kriegsflotte während des Ersten und Zweiten Weltkriegs. Denn zentral muss immer die Frage nach dem historischen Kontext sein, auch die nach den Lebensumständen der Menschen, die all dies erlebt haben. Und selbstverständlich müssen in einem solchen Museum Täter und Opfer benannt werden.
Haben Sie in Herrn Tamms Sammlung Exponate gesehen, die die Opfer von Seekriegen darstellen oder sich ihnen widmen?
Nein. Deshalb müssen die Exponate ja in einen Kontext gestellt werden.
Glauben Sie, dass das geschehen wird?
An ein Museum für Schifffahrt stelle ich diesen Anspruch.
Glauben Sie es?
Glauben reicht nicht. Wir müssen diesen Anspruch im Parlament einfordern, weil der Senat schon viel Geld dafür ausgegeben hat. Allerdings hatte dieser ganze Vorgang in Hamburg eine recht merkwürdige Abfolge: Normalerweise erstellt man erst ein Konzept und bekommt dann gegebenenfalls finanzielle Zusagen vom Senat. In Herrn Tamms Fall ist das genau umgekehrt abgelaufen.
Hauptkritikpunkt ist der Stellenwert der Militaria. Wie viel Prozent Kriegsgerät haben Sie in der Sammlung gesehen?
Das ist schwer zu sagen – aber von einer Dominanz an Militaria würde ich nicht sprechen.
Wie sollte man mit Tamms Exponaten aus der Nazi-Zeit verfahren?
Auslassen darf man diese Epoche nicht. Aber sie muss natürlich historisch eingeordnet werden.
Wie beurteilen Sie die seit August laufende Initiative „Künstler informieren Politiker“, in deren Rahmen Künstler das Gespräch mit jedem einzelnen Abgeordneten über dieses Problem gesucht haben?
Sehr positiv, denn dies hat zu einer lebendigen öffentlichen Auseinandersetzung mit diesem wichtigen Thema geführt. Ein Privatsammler, der öffentliche Gelder erhält, kann natürlich keine Alleingänge tätigen. Denn in diesem Moment ist er kein Privatmann mehr, und sein Museum muss höchsten Ansprüchen genügen.
Der Kaispeicher B ist bereits halb restauriert; Mitte 2007 soll das Museum eröffnet werden. Wie kann man dessen Gestaltung jetzt noch beeinflussen?
Wir werden – nach der Anhörung im Kulturausschuss im Januar, die das endgültige Konzept erbringen soll – darauf drängen, dass die Ausstellungsmacher der Bürgerschaft regelmäßig über den Fortgang der Dinge berichten müssen.
Gedenkt die GAL einen solchen Antrag einzubringen?
Das kann ich mir gut vorstellen.