piwik no script img

Archiv-Artikel

Es wird lausig kalt

Im Herbst hängen Mützen wieder dicht an dicht in Kitas und Schulen – die Kopflaus hat leichtes Spiel. Wie immer, wenn es kalt wird, nimmt der Befall stadtweit zu. Für die Behandlung gilt: Viel hilft viel

VON ALKE WIERTH

Die Geschichte beginnt meist, wenn der Sprössling sich auffallend häufig das Köpfchen kratzt, oder wenn beim Kämmen ein kleines Tierchen ins Waschbecken purzelt: „Mama, sieh mal, die arme kleine Fliege hat ja gar keine Flügel!“ Läusealarm!

Besonders im Winter, wenn Mützen und Jacken an den Garderoben eng übereinander hängen und gerne auch mal untereinander vertauscht werden, nimmt an Kitas und Schulen der Läusebefall regelmäßig zu. Eine Meldepflicht gibt ebenso wenig wie Zwangskontrollen für Schulklassen oder Kitas: „Nur bei infektiösen Erkrankungen ist die Rechtsgrundlage für solche Maßnahmen gegeben“, sagt Robert Rath, Sprecher des auch für Läuse zuständigen Berliner Landesamtes für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit (Lagetsi) – Maßnahmen, die dann auch gegen den Willen des Betroffenen durchgeführt werden können.

Die Behandlung der läusebefallenen Kinder und gegebenenfalls weiterer Familienangehöriger liegt allein in der Verantwortung der Eltern. Ebenso die Benachrichtigung der zuständigen Bildungs- und Betreuungseinrichtungen, die von vielen als sehr peinlich empfunden und deshalb gerne umgangen wird.

Dabei ist selten nur ein Kind einer Gruppe oder Schulklasse betroffen: „Je jünger die Kinder sind und je mehr sie sich beim Spielen noch körperlich nahe kommen, desto höher ist die Ansteckungsgefahr“, sagt Lagetsi-Sprecher Rath. „Aus Marzahn-Hellersdorf, wo noch Reihenuntersuchungen durchgeführt werden, wenn an einer Schule Läusebefall bekannt wird, wissen wir, dass dann in der Regel bereits 10 Prozent der Schüler Läuse haben.“

Viele Eltern wissen aus leidvoller Erfahrung, dass es so immer wieder zu Ansteckungen kommt: Der berühmte Pingpong-Effekt setzt ein, wenn Kinder einer Gruppe nicht erfolgreich behandelt wurden oder die Eltern deren Läusebefall gar in der Einrichtung verschweigen.

Die Behandlung ist eigentlich einfach, sagen Experten: doch für Familien mit mehreren Kindern, gar noch Töchtern mit schönen langen Locken, kann Läusebekämpfung zu einer manchmal Wochen dauernden Vollbeschäftigung werden. Mindestens zweimal im Abstand von mehreren Tagen muss ein Mittel zur Kopfbehandlung aufgetragen werden, und das daran anschließende Auskämmen der Läuseeier mit dem engzahnigen Nissenkamm kann je nach Haarlänge Stunden dauern.

1-Kind-Familien und Kurzhaarfans sind eindeutig im Vorteil, und die Zopf-ab-Methode ist immer noch eine Maßnahme, die die Behandlung sehr erleichtert – lässt sich bei Mädchen ab einem bestimmten Alter aber meist nur mit schwerer Bestechung durchsetzen. Auch die anfallenden Wäschemengen sind nicht ohne: Handtücher, Bettwäsche, Kleidung der ganzen Familie müssen so heiß wie möglich gewaschen werden. Und was die 60 Grad nicht aushält, kommt entweder 24 Stunden in den Tiefkühler oder liegt mehrere Wochen lang in Plastiktüten verpackt in Zimmerecken.

Dass Eltern, die das mehrmals mitgemacht haben, nach verstärkten Kontrollen rufen, dafür hat Lagetsi-Sprecher Rath Verständnis: „Wir kennen keine hysterischen Eltern, allenfalls zu Recht besorgte.“ Zu deren Beruhigung kann er aber sagen, dass es keine Hinweise auf einen allgemeinen Anstieg des Läusebefalls in Berlin gibt.

In vielen Bezirken bieten die Gesundheitsämter Läusekontrollen und Beratung an (siehe Interview), die für Einrichtungen ebenso wie für Einzelpersonen kostenlos und freiwillig sind. Behandelt wird dort aber nur in extrem seltenen Ausnahmefällen, zum Beispiel wenn Grund zu der Annahme besteht, dass Betroffene selber nichts gegen ihren Läusebefall unternehmen.

Und Läusebekämpfungsmittel durch die Gesundheitsämter direkt an Betroffene auszugeben, scheitert an der klammen Finanzlage: „Wir haben den Anspruch, das Richtige zu tun, aber unsere Möglichkeiten sind begrenzt“, sagt Rath. Er rät Betroffenen: „Bei Läusen stimmt der Satz: Viel hilft viel. Lassen Sie die Mütze lieber zwei Tage als nur einen im Kühlfach – dann ist die Laus noch toter als tot.“