nichts ärgert den Deutschen mehr, als wenn er beim Verbrauchen angeschissen wird. Der Staat trägt dem Rechnung: er finanziert die Verbraucherschutzzentralen: Der Blick auf die Finger des Unternehmers
Fremd und befremdlich
KATRIN SEDDIG
Verbraucherzentralen sind gemeinnützige Vereine, die der Staat finanziert, damit der Verbraucher sich informieren, beraten und schützen kann. Verbraucher sind wir alle, ob wir wollen oder nicht. Und nichts ärgert den Deutschen mehr, als wenn er beim Verbrauchen angeschissen wird. Der deutsche Verbraucher möchte selbst dem Markt ein Schnippchen schlagen: Er forscht Stunden im Internet, er vergleicht, er rechnet, und wenn er das Produkt irgendwo billiger sieht, als er es gekauft hat, dann fühlt er sich hintergangen. Ähnlich ist es mit Krediten, für die er zu hohe Zinsen zahlt. Oder mit Verträgen, die er vielleicht nicht bräuchte.
Auf der einen Seite steht also der Verbraucher und auf der anderen Seite der Verkäufer – der Kapitalist –, der möglichst viel Gewinn machen möchte, und sie schlagen sich in der Schlacht des Konsums. Weil der Verbraucher angeblich auf der schwächeren Seite steht, schützt der Staat ihn ein bisschen – mit den Verbraucherschutzzentralen.
Weil die gern wissen wollen, wogegen sie den Verbraucher schützen sollen, führen sie alle zwei Jahre Umfragen durch. Da fragen sie den Verbraucher, worüber er am meisten böse ist. Und in der Hamburger Verbraucherzentrale ist jetzt gerade, vom 1. November bis zum 31. Januar, so eine Umfrage durchgeführt worden. Daran beteiligt haben sich 577 Menschen, „Verbraucher/innen“ heißen die korrekt in dem Bericht, der sich „Verbraucherschutzpegel Hamburg“ nennt.
Das kommt mir jetzt nicht so viel vor in einer Stadt von 1,7 Millionen Einwohnern, aber die wenigsten Menschen gehen halt auf eine Internetseite, um dort freiwillig an einer Befragung teilzunehmen. Immerhin: Es gibt 577 Menschen, die dies tun, erstaunlicherweise. Vielleicht sollten wir alle mehr an solchen Umfragen teilnehmen, um unsere eigene Zufriedenheit als Verbraucher zu steigern.
Worüber sind nun die an einer freiwilligen Umfrage beteiligten Verbraucher/innen am meisten verärgert? Unter „Drängendste Probleme im Konsumalltag“ werden an erster Stelle „Lebensmittel“ genannt. Lebensmittel sind ja auch wirklich wichtig. Ohne Lebensmittel gäbe es uns gar nicht. Am allermeisten ärgert die Hamburger Verbraucher/innen hierbei die irreführende Kennzeichnung. Das machen nämlich Unternehmen: Sie schreiben drauf, dass irgendwas gesund wär, was ungesund ist, alles in allem, oder sie machen eine Verpackung so, dass es aussieht, als wär mehr drin, und lauter so Tricks. An zweiter Stelle der drängendsten Probleme im Konsumalltag stehen bei den Hamburger/innen schon „Finanzdienstleistungen“. Damit sind sehr viele Leute nicht zufrieden, zum Beispiel mit niedrigen Sparzinsen. Werbemails sind auch ein Thema, sehr ärgerlich, und lange Wartezeiten bei Arzt.
Man könnte meinen, ich mache mich jetzt lustig, aber ich bin schon froh darüber, dass es Leute gibt, die sich mit so was beschäftigen und ein bisschen anprangern und gucken, dass die Kapitalisten das nicht zu doll treiben mit ihrer Kundentäuschung. Ich selbst bin ja eher so ein Mensch, der, wenn er einen Staubsauger braucht, in einen Laden geht und irgendeinen kauft. Und wenn der Staubsauger dann auch den Teppich saugt, verschwende ich keinen Gedanken mehr daran, ob ich den gut gekauft habe oder nicht.
Es ist nämlich so, dass man mit solchen Dingen sehr viel Zeit vergeuden kann und Zeit, liebe Verbraucher/innen, ist auch ein hohes Gut. Deshalb ist es schon gut, wenn es so einen Verbraucherschutz gibt, der für mich den Unternehmen ein bisschen auf die Finger schaut.
Katrin Seddig ist Schriftstellerin in Hamburg mit Interesse amFremden im Eigenen. Ihr jüngster Roman „Eine Nacht und alles“ ist bei Rowohlt Berlin erschienen.
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