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Berliner SzenenBerlin lacht

Sonne in den Magen

Das mit der Miese­petrigkeit ist auch eher ein Klischee

„Haben Sie Zokolade von Schotter“, frage ich die Angestellte in der Galeria am Alex, „äh, ich meine Zotter.“ – „Nee, hammer nich“, sagt sie, „Lindt hammer.“ Draußen scheint die Sonne den Winter weg, und weil das so ist, will ich was Delikates; Sonne auf die Haut – und in den Magen. Wunderwurst vom Schlemmermeyer und eine sündhaft teure Flasche Quittenbrand aus der Schweiz.

An der Käsetheke unternehme ich mit der Verkäuferin eine Reise über die Almen der Alpen. Ich lande schließlich in Vorarlberg, und die Frau hinter der Käsetheke scheint sich über das glückliche Ende dieses Ausflugs zu freuen: „Schönen Tag, und nutzen Sie das schöne Wetter draußen, wenn Sie Zeit haben“, sagt sie. Sage noch einer, alle Berliner in der Dienstleistungsbranche seien stoffelig. Oder ist das nur ein Privileg für den Lebensmittel-Parvenü?

Aber weil der Berliner anscheinend sehr wetterfühlig ist, geht es mit der sonnendurchtränkten Laune beim Bäcker weiter. Eine Kundin schenkt einer älteren Verkäuferin Tulpen. Sie reicht sie mit großer Beiläufigkeit rüber wie einen 5-Euro-Schein, aber die Verkäuferin ist wirklich gerührt. „Mensch, das ist ja ...“, sagt sie zu ihren Kolleginnen. Nee, heute ist niemand unhöflich.

Das mit der Miesepetrigkeit der Berliner ist im tiefsten Prenzlauer Berg auch eher ein Klischee. Wo der urbane Zeit-Abonnent wohnt, geht es ausgesprochen nett zu. Wenn die Bäckersfrau oder die Fleischfachverkäuferin „Vielen Dank!“ sagt und einen „Schönen Nachmittag!“ wünscht, gehört es zum guten Ton zu erwidern: „Ja, danke, Ihnen auch!“

Ich habe dann jedes Mal die Befürchtung, die Verkäuferinnen könnten das falsch verstehen, denn es gibt ja Schöneres, als stundenlang stehend Splitterbrötchen oder Lammbratwürste an Besserverdienende zu verkaufen. Markus Völker

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