: „Tory Blair“ begeistert britische Rechte
Er ist der Tony Blair der Tories, finden seine Anhänger: Der 39-jährige David Cameron ist jung, telegen, sozialliberal und auf gemäßigte Art euroskeptisch. Vorgestern Abend hat ihn die Parlamentsfraktion der britischen Konservativen als klaren Favoriten in die Urwahl um die Parteiführung geschickt.
Es sind nicht die Abgeordneten, die bei den Tories den Parteiführer wählen, sondern die 300.000 Parteimitglieder. Deren Durchschnittsalter liegt über 60. Viele von ihnen halten Cameron für ein Risiko, und das nicht nur, weil er als Student Drogen genommen haben soll und sich weigert, dazu Stellung zu nehmen. Viele Parteisenioren finden ihn arrogant, weil er „gerade aus den Windeln heraus ist und schon Parteichef werden will“, wie es einer von ihnen ausdrückte.
Cameron, geboren im Oktober 1966, ist erst seit gut vier Jahren Abgeordneter. Er spricht eine andere Sprache als die einfachen Parteimitglieder und hat eine steile Karriere hinter sich. Er besuchte die Eliteschule Eton und studierte in Oxford Politik. 1988 stieg er bei den Tories in der Abteilung für Politikforschung ein. Vier Jahre später wurde er Sonderberater im Wirtschafts- und Innenministerium, wo er eng mit dem jetzt ins Hintertreffen geratenen David Davis zusammenarbeitete.
1994 ging er als Direktor zum Medien-Unternehmen Carlton Communications, wo er auch im Aufsichtsrat saß. Er wäre gern Journalist geworden, sagt er, aber noch lieber möchte er Premierminister werden. Nach den Wahlen 2001 zog er als Abgeordneter für Witney ins Unterhaus. Er ist Bildungsminister im Schattenkabinett.
Cameron ist mit Samantha verheiratet, der Stieftochter Lord Astors. Sie haben zwei Kinder. Der vierjährige Sohn Ivan ist Epileptiker und wird nie laufen oder sprechen können. Das Leben mit einem behinderten Kind habe auch sein eigenes Leben verändert, sagt Cameron.
Cameron legt Wert darauf, dass er nicht in Notting Hill lebt, sondern in einem Nachbarbezirk, denn in dem Londoner In-Viertel wohnt kein anständiger Tory. Dennoch haftet seinem Zirkel das Etikett „Notting Hill Set“ an. Wenn er von „Freiheit und Verantwortung“ spricht und davon, dass die Tories modernisiert werden müssen, klingt Cameron in den Ohren der älteren Parteimitglieder verdächtig wie Blair. Aber gerade darum geht es den Tories: einen Weg finden, wie man ihre Partei endlich wieder dort hinbringt, wo sie ihrer Meinung nach hingehört: an die Regierung. Mit Cameron haben sie laut Umfragen die besten Chancen dafür. So werden sie sich, wenn sie in sechs Wochen zum vierten Mal in acht Jahren einen neuen Chef wählen, wohl für einen entscheiden, der ihnen im Grunde genommen fremd ist. RALF SOTSCHECK