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Wirtschaftsförderung auf Kosten der Umwelt

NRW-Umweltminister will den Immissionsschutz lockern, um die Wirtschaft von „unverhältnismäßigen Belastungen zu befreien“. Der BUND hält das für schwarz-gelbe Deregulierungswut, womöglich kollidierten Vorschläge mit EU-Recht

KÖLN taz ■ Als Wirtschaftslobbyist NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) unschlagbar. Getreu der Ankündigung der neuen Landesregierung, die Wirtschaft von „unverhältnismäßigen Belastungen zu befreien“, kündete er Ende letzter Woche eine Bundesratsinitiative zur Lockerung des Immissionsschutzes an. Ziel des NRW-Vorstoßes sei es, die Kosten und den bürokratischen Aufwand für eine Vielzahl industrieller und landwirtschaftlicher Anlagen zu senken. Der NRW-Landesverband des BUND kritisierte Uhlenbergs Initiative als sachlich nicht begründeten Rückschritt in Sachen Umweltschutz. „Das ist reine Ideologie“, so Geschäftsführer Dirk Jansen.

Uhlenbergs Vorschlägen zu Folge soll die Zahl der Anlagen, die nach dem Bundesimmissionsschutzrecht genehmigt werden müssen, drastisch reduziert werden. Anlagen mit einer geringeren Bedeutung für die Umwelt wie etwa Betonmischanlagen oder Schießstände für Handfeuerwaffen könnten genauso gut nach Baurecht genehmigt werden, erklärte Staatssekretär Alexander Schink. Damit werde der Schutz der Menschen in der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen genauso sicher gestellt. „Es sollen im Wesentlichen nur die Verfahren vereinfacht werden“, so Schink. Bislang seien in NRW über 15.000 Anlagen nach Immissionsschutzrecht genehmigungspflichtig, mit der neuen Regelung wären es gut 3.000 weniger.

Zudem möchte Uhlenberg durchsetzen, dass die Behörden bei kleineren Anlagen „flexibel entscheiden“ können, ob ein Anhörungstermin während des Genehmigungsverfahrens nötig ist. Dies sei unter Umständen nicht der Fall, etwa „wenn ein Vorhaben nur geringe Relevanz für die Umwelt hat und das öffentliche Interesse gering oder gar nicht vorhanden ist“, so Schink. Der BUND erklärte, die Initiative sei weder im Interesse der Bürger noch des Umweltschutzes, sondern einzig der neoliberalen Deregulierungswut der Landesregierung geschuldet. Dirk Jansen: „Schwarz-Gelb versucht die Bürgerbeteiligungen zu reduzieren, wo es nur geht.“

Jansen verwies in diesem Zusammenhang auch auf die Pläne der Landesregierung, das Einspruchsrecht der Naturschutzverbände gegen neue Projekte, das so genannte Verbandsklagerecht, einzuschränken – wegen des vermeintlich zu großen Einflusses bestimmter „Sonderinteressen“. Tatsächlich, so Jansen, hätte der BUND von diesem Recht in den letzten fünf Jahren aber nur sehr selten Gebrauch gemacht. „Viel wichtiger ist für uns der präventive Effekt, weil die Behörden sich wegen der Klagemöglichkeit von vorne herein mehr an die Gesetze halten.“ Auch die Bürgerbeteiligung an Genehmigungsverfahren führe dazu, dass „viel konsensualer geplant und so auch schneller genehmigt werden kann“, so Jansen. Trotzdem sehe Uhlenberg die Beteiligung von Bürgern und Umweltverbänden offenbar als langwierig und zu teuer an.

Ob der Umweltminister mit seiner Initiative durchkommt, ist noch nicht ausgemacht. Denn laut Jansen widersprechen die Vorschläge möglicherweise dem EU-Recht. So sehe die neue EU-Beteiligungsrichtlinie sogar eine Ausweitung der Beteiligungsmöglichkeiten für Bürger, Initiativen und Verbände vor. Jansen hofft daher, dass Uhlenberg vieles von dem, was er jetzt abschaffen will, wieder einführen muss, wenn die neue Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt wird. Der Einschätzung, die Uhlenberg-Vorschläge kollidierten mit dem neuen EU-Recht, widersprach Umweltstaatssekretär Schink energisch. „Dort, wo das EU-Recht eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorsieht, wollen wir gar nichts ändern.“ SUSANNE GANNOTT

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