piwik no script img

Am 8. März muss man irgendwas Gutes mit Frauen machen, darum laufen einige berichte in den Zeitungen und der Bundespräsident verteilt OrdenPralinen, 'n paar Blumen und dann ist gut

Fremd und befremdlich

Katrin Seddig

Als ich ein Kind war, war der 8. März ein Tag mit Bedeutung. Der 8. März war der Tag, an dem ein Kind der Lehrerin und der Mutter einen Blumenstrauß schenkte, oder Pralinen, beliebt war auch Kaffee, besonders, wenn er aus dem Westen war, und man schrieb eine Karte, malte ein Bild, so was in der Art. Denn der 8. März war der Tag, an dem die Frauen geehrt werden sollten. Und geehrt wurden sie.

Der Muttertag, der heute mehr Bedeutung in der Bevölkerung hat, spielte in meinem Leben dagegen keine Rolle. Mütter waren die Frauen in der DDR zwar auch, und sie bekamen in der Regel auch mehr Kinder und früher als in der BRD, aber deshalb sollten sie nicht geehrt werden. Geehrt werden sollten sie, weil sie so fleißig ihre Arbeit taten. Und das taten sie, in der DDR. Die meisten Frauen gingen arbeiten und schmissen den Haushalt.

An ihrem Feiertag, dem 8. März, dem internationalen Frauentag also, gingen die Frauen meistens Kaffee trinken, nach der Arbeit. Die Männer wurden nicht offiziell geehrt, dafür ehrten sie sich selber, am christlichen Feiertag Christi Himmelfahrt, nicht mit Kaffee und Blumen, sondern mit Schnaps und Bier. Auch wenn dieser Feiertag von manchen Vatertag genannt wurde, durfte jeder junge Mann, ob Vater oder nicht, den Tag mit Bier und Schnaps feiern. Die Frau dagegen stellte die Blumen in die Vase, stopfte sich die Praline in den Mund und machte den Abwasch.

Meine Kinder kennen den 8. März nicht mehr als Feiertag. Sie schenken mir keine Blumen, weil ich eine Frau bin, auch ihrer Lehrerin schenken sie keine Blumen, es wird einfach keine Frau mehr am Frauentag gefeiert. Es ist hinfällig, vielleicht, wie eine junge Journalistin, Ronja von Rönne, das einst in der Zeitung Die Welt formulierte: „Ich habe einfach noch nie erlebt, dass Frausein ein Nachteil ist.“ Nun, das wird das wohl auch kein Nachteil mehr sein, wenn Ronja von Rönne das einfach noch nie erlebt hat. Und dann ist so ein Feiertag, der einfach so, die Hälfte der Bevölkerung feiert, einfach Unsinn.

Deswegen feiert das eben auch keiner. Das steht nur in der Zeitung, dass das jetzt ein Feiertag ist. Und es laufen so ein paar Berichte über Frauen. Und der Bundespräsident, unser Präsident, Herr Joachim Gauck, hat am 7. März, anlässlich des 7. Märzes, 24 Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland an Frauen verteilt und eine Rede gehalten, was alles noch besser laufen soll, bezüglich Gleichberechtigung und Rechten von Frauen.

Zwei Frauen kommen aus Niedersachsen, Christa Röder und Heidi Kluth, so heißen sie und sie haben sich beide, auf unterschiedliche Art, ehrenamtlich engagiert. Und weil sie eben auch noch Frauen sind und keine Männer, hat das halt gepasst, dass sie den Orden kriegen, einen Tag vor dem 8. März. Da muss man irgendwas Gutes mit Frauen machen. Das ist Pflicht. Damit die Frauen sehen, dass die Männer auch dran denken. Mal 'nen Orden oder so. Paar Blumen. Pralinen. Und dann ist gut.

In der DDR war das damals so, dass es ganz klar war, dass die Frau sich den Arsch aufreißt, weil sie acht Stunden arbeiten und nebenher noch den Haushalt schmeißen und die Kinder erziehen musste, während der Mann eigentlich nur der Arbeit nachzugehen brauchte. Und genau deshalb war ja der Frauentag da, da bekam die Frau den Lohn für die ganze Plackerei und dazu ein Dankeschön. Heute braucht die Frau den Mund nicht mehr aufreißen, weil sie heute ja machen kann, was sie will. Einen Nachteil hat sie nicht. Das hat Ronja von Rönne noch nie erlebt. Und sie ist ja eine Frau.

Es fragt sich nur, warum die Verdienstordenträgerin Heidi Kluth sich für die Frauen im Handwerk einsetzen muss, wenn es im Handwerk einfach kein Nachteil ist, eine Frau zu sein. Und warum gibt man ihr dafür einen Orden, unter anderem? Fragen über Fragen.

Katrin Seddig ist Schriftstellerin in Hamburg mit Interesse am Fremden im Eigenen. Ihr jüngster Roman „Eine Nacht und alles“ ist bei Rowohlt Berlin erschienen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen