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Archiv-Artikel

Premiere II: Mythos und Sozialdrama

Berna-Marie Koltès „Quai West“: Variationen der Verzweiflung im sozialen Abseits

Von grä

bremen taz ■ Berna-Marie Koltès: „Finstere und dennoch blasse Kunst- und Kinofiguren, deren Gelenke hölzern knacken“, hat ein Kritiker einmal über ihn geschrieben. Und ein anderer, noch lapidarer: „kein Mann fürs Theater“.

Mit „Quai West“ hat sich Regisseur Stefan Otteni ein Stück vorgenommen, das die Außenseiter der Gesellschaft zeigt, in ihrer Hoffnungslosigkeit, ihrer Brutalität, das aber kein Sozialstück sein will, sondern auf mythische Qualitäten pocht. Ein Zwitter also, und nicht unproblematisch. Otteni hat versucht, beidem gerecht zu werden und das gelingt ihm über weite Strecken. Im Aufscheinen und Verschwinden einer glühenden Sonne, die Zentrum der Bühne ist, ziehen sich die Verhandlungen zwischen Maurice und der Einwandererfamilie, die zugleich tödlich erschöpft und von verzweifelter Lebensgier ist. Verhandelt wird um den Preis für die Duldung seines Selbstmords. Siegfried W. Maschek gibt dem Geschäftsmann Maurice einen Zorn, dessen Kälte sich merklich abhebt vom dumpf-verzweifelten Kampf zwischen Vater und Sohn, Mutter und Tochter und einem rätselhaften Außenseiter, dem Mulatten Abad (Bereket Andebrhan).

Es ist das Verdienst der Schauspieler diese Abstufungen von Verzweiflung auf unangestrengte Art nachvollziehbar zu machen: Henriette Cejpek als Cécile, der ihre Kinder nur allzu stumpfes Werkzeug zum Ausbruch sind, während die sich einen kleinen aber fatalen Rest Verletzlichkeit bewahrt haben: Verena Güntner geht als Tochter mit einer bedrückenden Leichtigkeit in ihren vorhersehbaren Missbrauch und Trystan W. Pütter als Sohn zeigt eindrücklich, wie unerklärlich das Scheitern ist. Wenn es denn eines ist. Und diese Unerklärlichkeit gehört zu den besten Momenten des Stückes. grä

Nächste Aufführungen: 3., 13., 27.11.