: Kein Richtiges im Falschen
Nicht gegendarstellungsfähig (XXIV): Jony Eisenbergs juristische Betrachtungen. Heute: Pressekonzentration
Ein Medienkonzern kauft in Berlin eine Tageszeitung (die B-Zeitung), ein Boulevard-Blättchen und ein Programmblättchen. Er verlegt in Berlin bereits eine weitere Tageszeitung (die A-Zeitung) und ein weiteres Programmblättchen. Das Kartellamt verbietet den Kauf. Die vom Bundeswirtschaftsminister erwogene Ministergenehmigung, die das Bundeskartellamt überwunden hätte, scheitert an politischen Widerständen, ebenso die vom selben Minister für diesen Fall geplante Gesetzesänderung.
Die Redaktion der erworbenen B-Zeitung erlebt einige Jahre lang einen paradiesischen Zustand. Kein Eigentümer drängt sich in ihr Redaktionsgeschäft, die Zeitung schreibt schwarze Zahlen. Doch schließlich stehen beide Tageszeitungen, nachdem sie nicht fusioniert werden können, in Konkurrenz. Die A-Zeitung ist chronisch defizitär.
Der Konzern verfolgt konsequent seine Kapitalinteressen: Er unternimmt es, die B-Zeitung an britische Heuschreckenkapitalisten zu verschachern. Als das ruchbar wird, rebelliert die Redaktion. Sie fordert den Verkauf an einen deutschen Verleger, weil der angeblich die Redaktionsfreiheit eher respektiert und Qualitätsjournalismus sichert. Unser Medienkonzern jedoch zuckt bedauernd mit den Schultern: Er habe sich bereits den Heuschrecken gegenüber gebunden. Warum auch nicht? Kann er ein Interesse daran haben, sich auf Dauer einen echten journalistischen Konkurrenten für seine A-Zeitung zu erhalten? Kulturstaatsministerin und Leitartikler weinen Krokodilstränen und behaupten, Zeitungen seien keine Wirtschaftsgüter wie andere, sie erforderten von Kapitaleignern besondere Verantwortung.
Die Wahrheit ist: Medien sind Wirtschaftsgüter wie Würstchen oder Kondome. Es gibt sie, weil damit Geld verdient werden kann. Ihre Eigentümer sind nicht ethischer oder verantwortungsbewusster als andere Kapitalisten. Die kartellrechtliche Kontrolle hat weder die massive Verlagskonzentration noch das Verschwinden kleiner, unabhängiger Regionalverleger verhindert.
Viele der jetzt klagenden Redakteure der B-Zeitung waren einmal taz-Redakteure: Anfang der 1990er-Jahre gab es dort den Streit, ob man die taz nicht einem mittelständischen Verlag überantworten sollte, der die Gehälter auf Tarifniveau anzuheben versprach. Die Mehrheit hat sich dagegen entschieden und das Kapital der taz vergenossenschaftlicht. Den mittelständischen Verlag gibt es nicht mehr, die taz immer noch.
Unter den seinerzeit der unterlegenen Minderheit angehörenden taz-Journalisten sind einige zur B-Zeitung gewechselt. Jetzt fürchten sie die neuen Herren. Die Geschichte lehrt: Es gibt kein richtiges Leben im falschen, jedenfalls nicht auf Dauer.
Unser Autor ist Strafverteidiger und Presseanwalt in Berlin