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Archiv-Artikel

DIE KUNST DES AUSWEICHENS Umsteigen für Blöde

Schließlich kommt auch noch eine Mutter mit Kinderwagen

Es ist früh am Morgen. Ich muss zum Praktikum in die taz und fahre von Wedding mit der U 6 Richtung Süden, zum U-Bahnhof Kochstraße.

Seit einiger Zeit ist zwischen U-Bahnhof Friedrichstraße und U-Bahnhof Französische Straße eine Baustelle: Die BVG bittet ihre Fahrgäste, das kurze Stück zu laufen. Zum Glück ist der Weg zur nächsten Station ausgeschildert. Es sind wirklich viele Menschen unterwegs, und alle wollen sie so schnell wie möglich zur Arbeit oder zur nächsten Sehenswürdigkeit. Leider beachten die meisten von ihnen die anderen Passanten nicht und laufen stur geradeaus. Ich werde fast von jedem, der mir entgegenkommt, angerempelt und auch noch blöd angeguckt, obwohl ich immer versuche auszuweichen. Ein Mann kommt auf mich zu, ich weiche nach rechts aus, er macht dasselbe, so geht das drei Mal, dann bleibe ich stehen, und er geht vorbei. Warum hat er denn nicht auf meine Kopfbewegung geachtet, mit der ich angedeutet habe, in welche Richtung ich will?

Schließlich kommt auch noch eine Mutter mit Kinderwagen vorbei, ich gehe wieder zur Seite. Sie fährt mir über meinen Fuß. Ich gucke sie wütend an. Sie sagt: „Hättest mal lieber Platz gemacht“, und geht dann weiter. Warum trete ich überhaupt zur Seite und renne die anderen nicht einfach genauso um, wie sie das machen? Höflichkeit? Gute Erziehung? Ich denke, ich werde beim nächsten Mal den überfüllten Bus nehmen.

Ich muss an meine Reise nach Paris vergangenen Sommer denken. Dort kam ich auf den Bürgersteigen besser zurecht als hier in Berlin, obwohl diese viel, viel voller waren. Vielleicht haben die Leute in Paris mehr Übung als wir Berliner. Wir Berliner sind nicht geübt im Ausweichen. Und einem Touristen aus Paris bin ich an diesem Morgen offenbar zwischen Friedrichstraße und Französischer Straße auch nicht begegnet. NATHALIE MISCH