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"Nirgends so erlebt"

VORTRAG Wilhelm Tacke berichtet von besonderen Erfahrungen auf seiner Reise ins Persische

Wilhelm Tacke

war Pressereferent der Bremer Katholiken und engagiert sich im Verein für Niedersächsisches Volkstum.

taz: Herr Tacke, Sie sprechen anlässlich einer Iranreise über „absichtslose Gastfreundschaft“. Wollen Sie damit auch etwas zur Debatte über die hiesige Willkommenskultur beitragen?

Wilhelm Tacke: Nein, mir geht es darum, die Unterschiede her­aus zu arbeiten, die man beim Reisen in Nahost erleben kann. Ich habe fünf Jahre als Lehrer in Kairo gearbeitet und war auch in anderen islamischen Ländern unterwegs. Aber die Erfahrungen, die ich jetzt im Iran machen konnte, waren einzigartig.

Inwiefern?

Wenn man in Istanbul auf Deutsch angesprochen wird, geht es darum, dass man einen Teppich kaufen soll. In Teheran hingegen haben meine Reisegruppe und ich immer wieder erlebt, dass die Menschen großes Interesse am Austausch mit Ausländern haben, vermutlich, weil das Land durch das Embargo so abgeschnürt wurde. Insbesondere Frauen haben uns oft angesprochen und wollten sich auch mit uns fotografieren lassen, ohne dass das deren Männer im Geringsten gestört hätte.

Als US-Ausländer wären Sie womöglich anders empfangen worden ...

Vermutlich. In Teheran gab es an jeder zweiten Säule anti-amerikanische Plakate mit „Wanted: Obama“ und dergleichen.

Ihre Reisegruppe hat religiöse Schwerpunkte gesetzt und Teheran am höchsten schiitischen Feiertag besucht. Wie waren da Ihre Erfahrungen?

Etwas Besseres hätte uns gar nicht passieren können! Wir fielen wahnsinnig auf, weil alle außer uns schwarz gekleidet waren. Aber niemand hat uns irgendwie zu verstehen geben, dass wir stören würden. Ein so herzliches Willkommen habe ich sonst noch nirgends im Nahen Osten erlebt.

Haben Sie auch religiöse Minderheiten im Land besucht?

Ja, wir waren bei einer äußerst ausgedehnten Messe des Erzbischofs der armenischen Christen. Auch die Juden werden akzeptiert, weil die iranische Regierung offiziell strikt zwischen Juden einerseits und „Zionismus“ und dem Staat Israel andererseits unterscheidet. Außerdem gibt es die Anhänger Zarathustras, die allerdings ihren Bestattungskult ändern mussten. Früher wurden die Leichen auf „Türmen des Schweigens“ den Geiern überlassen. Jetzt werden sie in Betonsärgen bestattet, um nicht von der Erde „geschändet“ zu werden.

Interview: Henning Bleyl

Samstag 16 Uhr, Willehad-Saal (Alte Post), Domsheide

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