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Archiv-Artikel

Jürgen, das Leben ist kein Wunschkonzert!

Jürgen Rüttgers kennt keine Parteien mehr, sondern nur noch Nordrhein-Westfalen – und bietet der SPD im Bund eine Zusammenarbeit an. Die finden: Ein Koalitionsvertrag braucht wichtigere Themen

VON MIRIAM BUNJESUND KLAUS JANSEN

Die nordrhein-westfälische SPD hat keine Lust auf einen Flirt mit Jürgen Rüttgers. Die SPD-Fraktionsvorsitzende Hannelore Kraft hat den Vorschlag des CDU-Ministerpräsidenten zurückgewiesen, sich in den Berliner Koalitionsverhandlungen parteiübergreifend für den Standort NRW einzusetzen. „Diese Idee ist schon ein Stück aus dem Tollhaus“, sagte Kraft.

Rüttgers hatte sich am Wochenende mit einer 13-seitigen Wunschliste an die künftigen NRW-Bundesminister Franz Müntefering, Peer Steinbrück und Ulla Schmidt (alle SPD) gewandt. Jenseits aller Parteipolitik gelte es, „das industrielle Herz Deutschlands“ mit Hilfe „konkreter Maßnahmen des Bundes“ wieder auf den „Wachstumspfad“ zu bringen, hatte Rüttgers gefordert. Konkret bedeute dies: Geld für einen Rhein-Ruhr-Express, Investitionen in den nordrhein-westfälischen Kraftwerkspark, Förderung der Landwirtschaft durch liberale Gentechnik-Gesetze. Außerdem brauche der Wissenschaftsstandort NRW mehr Max-Planck-Institute.

Rüttgers tritt jedoch nicht nur als Lobbyist auf, sondern arbeitet weiter an seiner Positionierung als soziales Gewissen der Union. Die Hartz-Gesetze beispielsweise will der Ministerpräsident grundlegend reformieren: Höhe und Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes sollen davon abhängig gemacht werden, wie viel Arbeitslose zuvor in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben. „Jürgen Rüttgers versucht, das nordrhein-westfälische Modell von sozialer Demokratie auf die Bundespolitik zu übertragen“, so der Duisburger Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte. „Das ist nicht gespielt.“

Die Opposition im Landtag sieht das anders. „Das ist reine Stimmungsmache“, sagte die grüne Fraktionschefin Sylvia Löhrmann der taz. Nachdem Rüttgers es nicht geschafft habe, im Koalitionspoker Ministerposten für die NRW-CDU zu erringen, wolle er sich nun auf diesem Weg als NRW-Patriot profilieren. Auch die Sozialdemokratin Kraft attestierte Rüttgers „politische Schwäche“. Eine Zusammenarbeit kommt für sie nicht in Frage: „Die SPD soll Positionen übernehmen, die wir rundweg für falsch halten“, sagte sie. Der frühere Ministerpräsident Peer Steinbrück sprach von einem „merkwürdigen Stil“ Rüttgers.

Aller vorgetragenen Empörung zum Trotz sind Rüttgers Positionen in vielen Punkten konsensfähig: Familienpolitische Leistungen sollen „zielgenauer“ ausgerichtet werden, damit kinderreiche und ärmere Familien besser davon profitieren, schreibt Rüttgers. Dagegen ist kein sozialdemokratischer Widerstand zu erwarten. Auch in Sachen Rhein-Ruhr-Express sind sich Christ- und Sozialdemokraten in NRW schon seit Jahren einig. Und über die so genannte Grüne Gentechnik kann ohne grüne Regierungsbeteiligung wieder anders diskutiert werden.

Das Thema Steinkohle bietet allerdings Konfliktstoff: Nach dem Auslaufen der jetzigen Subventionsbescheide, gebe es keine Rechtsansprüche mehr, betont Rüttgers. „Es müssen weitere Einsparungen gegenüber den bisherigen Verabredungen erreicht werden“, droht er. Allerdings liefert er die Kompromisslinie gleich mit: Subventionsabbau müsse geschehen, „ohne den Weg der sozialverträglichen Anpassung zu verlassen.“

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