: Dada oder warum die taz heute gaga ist
Um ein dadaistisches Gedicht zu machen, empfahl der rumänische Schriftsteller und Dichter Tristan Tzara (1896–1963): „Nehmt eine Zeitung / Nehmt Scheren. / Wählt in dieser Zeitung einen / Artikel von der Länge aus, die / Ihr Eurem Gedicht zu geben / Beabsichtigt. / Schneidet den Artikel aus. / Schneidet dann sorgfältig jedes / Wort dieses Artikels aus und gebt / Sie in eine Tüte.
Schüttelt leicht. / Nehmt dann einen Schnipsel nach / Dem anderen heraus. / Schreibt gewissenhaft ab / In der Reihenfolge, in der sie aus / der Tüte gekommen sind. / Das Gedicht wird Euch ähneln. / Und damit seid Ihr ein unendlich / Origineller Schriftsteller mit einer / charmanten, wenn auch von den / Leuten unverstandenen Sensibilität.“
Das Grundmaterial des Dadaismus ist also die Zeitung, und damit gebietet es sich für uns, Dada und seinen 100. Geburtstag zu feiern. Es ist eben etwas anderes, wenn man die Zeitung nur Lügenpresse nennt, was sie nebenbei bemerkt damals, als Dada während des Ersten Weltkriegs entstand, weiß Gott war – oder ob man sie kreativ zerstört und aus dem faden patriotischen Gedöns aufrührerisch unverständliche, alberne und dabei äußerst wohlklingende Simultangedichte montiert. Mitten in einer der größten Menschheitskrisen bedenkenlos alles links liegen zu lassen, was da Halt und Hoffnung versprach, was als unhinterfragbar tabuisiert und sakralisiert war, nicht eines Blickes zu würdigen, das war klug, das war Dada.
„Wir wollen die Welt mit Nichts ändern, wir wollen die Dichtung und die Malerei mit Nichts ändern und wir wollen den Krieg mit Nichts zu Ende bringen“, sagte 1916 Richard Huelsenbeck (1892–1974) in seiner Erklärung, dass die Mannschaft des Cabaret Voltaire beschlossen habe, ihre „mannigfaltigen Aktivitäten unter dem Namen Dada zusammenzufassen“. Wobei „Dada in einem Lexikon gefunden (wurde), es bedeutet nichts.“
Dada wurde am 5. Februar 1916 gezeugt. An diesem Tag eröffneten der Dramaturg Hugo Ball und die Diseuse, Kabarettistin, Dichterin und Gelegenheitsprostituierte Emmy Hennings zusammen mit dem Künstler Hans Arp, dem Dichter Tristan Tzara und dem Architekten Marcel Janco die „Künstlerkneipe Voltaire“ in der Züricher Spiegelgasse, die all abendlich Musikvorträge und Rezitationen versprach, deren Programm mit Literatur, Musik, Tanz und bildender Kunst aber weit mehr bot.
Wir glauben, dass die Methode Dada heute mehr denn je gebraucht wird. Brigitte Werneburg
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