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Ein Gewitter böte Trost

Sonderausstellung Die Alte Nationalgalerie präsentiert den „Mönch am Meer“ und die „Abteiim Eichwald“,die Caspar David Friedrich auf der Berliner Akademie-ausstellung 1810 zeigte, in einem Zustand, der dem damaligen sehr naherückt

Caspar David Friedrich, „Mönch am Meer“, Infrarotaufnahme Foto: Kristina Mösl, Francesca Schneider/Staatliche Museen zu Berlin

Zwiespältig scheint das gebildete Publikum reagiert zu haben, als Caspar David Friedrich auf der Berliner Akademieausstellung im Herbst des Jahres 1810 zwei Gemälde vorstellte: den „Mönch am Meer“ und die „Abtei im Eichwald“. Friedrichs Mönchsprozession in die gotische Ruine, von winterkargen Eichen umgeben und vor tiefer Abendsonne schon in die Nacht getaucht, scheint Unbehagen ausgelöst zu haben: „Welch ein Bild des Todes ist diese Landschaft!“, soll sich Johanna Schopenhauer zum Abtei-Gemälde geäußert haben. Als „gleichgültig ruhig” beklagte Marie Helene von Kügelgen hingegen die ruhige See, vor deren blau-grauer Weite der sinnierende Kapuzinermönch zu verschwinden scheint. „Ein Gewitter wäre mir ein Trost“, schreibt sie weiter.

Doch für den damals 36-jährigen Caspar David Friedrich, der aus einer einfachen Greifswalder Familie stammte, ebnete die öffentliche Präsentation der zwei Gemälde den Weg zum Erfolg. Der preußische König Friedrich Wilhelm III. erwarb gleich beide Werke und Heinrich von Kleist veröffentlichte in den Berliner Abendblättern eine (wohl stark redigierte) Besprechung von Clemens Brentano, die großes Echo fand. In dem rätselhaften Text zum Mönch schwärmen die Autoren von einer „unendlichen Einsamkeit am Meer“ und der „unbegränzten Wasserwüste“. Friedrichs sinnoffene Landschaftsdarstellungen verbinden sie mit Melancholie und Sehnsucht und formulierten damit eine Gefühlswelt, die später mit dem Begriff der Romantik erfasst werden sollte. Caspar David Friedrichs Gemälde „Abtei im Eichwald“ und „Mönch am Meer“ sind Schlüsselwerke dieser Epoche.

Vom Firnis befreit

Seit dem 22. Januar präsentiert die Alte Nationalgalerie beide Gemälde in einem Zustand, der sehr nahe an denjenigen rückt, der 1810 Schopenhauer und Kügelgen so sehr von Kleist und Bretano scheiden ließ. Ermöglicht durch die Alfred Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, arbeitete drei Jahre lang ein Team um die Chefrestauratorin Kristina Mösl an der Wiederherstellung des Werkpaares „Mönch am Meer“ und „Abtei im Eichwald“. Vom gelblichen Firnis der letzten zweihundert Jahre befreit, leuchten beide Bilder. Klar zeichnet sich die Klosterruine vor der tiefen Abendsonne ab, das Blau von Himmel und Meer des Mönchs-Gemäldes ist so kräftig und stark, man könnte sagen: das Blau ist zuversichtlich und lebensbejahend. Man blickt nicht mehr auf eine ins Dunkel getauchte Ferne, sondern wird nun von Friedrichs Horizontalen, Ellipsen und Hyperbeln in die scheinbar endlosen Landschaften hineingesogen.

Caspar David Friedrich geriet nach seinem Tod zunächst in Vergessenheit. Berühmtheit erlangten seine Bilder erst wieder ab 1906, als die Nationalgalerie in der „Jahrhundertausstellung deutscher Kunst von 1775–1875“ insgesamt 35 Gemälde des Greifswalders präsentierte. So wichtig diese Schau für seine Rezeption war, die beiden Gemälde hat sie strapaziert. Sie wurden von den originalen Keilrahmen entfernt und auf neue Leinwände gebügelt, die chemischen Wirkungen der Schutzüberzüge griffen die Farben und Oberfläche des Originals an. Sieben Schichten haben die Restauratoren abgetragen. Unter dem Dreck entdeckten sie, dass Friedrich seinen Kapuzinermönch wohl ursprünglich nicht vor jener „Wasserwüste“ entwarf, sondern er zunächst drei Segelschiffe auf dem Tableau skizziert hatte. Doch zog der Künstler wohl die leere Landschaft vor. Die Möwen aber, die auch im Zuge der Restauration zu Tage kamen, sollten auch im Endzustand über dem Mönch kreisen.

Casa Bartholdy-Saal in der Alten Nationalgalerie mit „Mönch am Meer“ im Endzustand (links) und Fototafel des Vorzustandes Foto: Andres Kilger/Staatliche Museen zu Berlin

Von Beginn an hat Friedrich wohl geplant, den Einsamen und die Prozession der Mönche als Pendants anzulegen. Auch das fanden die Restauratoren heraus: Beide Gemälde sind aus dem gleichen Tuch geschnitten. Sophie Jung

Bis 22. Mai, Sonderausstellung, Alte Nationalgalerie Berlin

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