: „Man will immer die Besten“
FUSSBALL Marco Pezzaiuoli, der Nachwuchschef von Meister Guangzhou Evergrande, erklärt, weshalb die immensen Investitionen in China nachhaltig sein könnten
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Interview Johannes Kopp
taz: Herr Pezzaiuoli: Die chinesischen Profiklubs dominiert diesen Winter zur Überraschung der Europäer das Geschehen auf dem Transfermarkt. Wie sehr überrascht Sie das als in China angestellter Trainer?
Marco Pezzaiuoli: Es ist hier zwar einiges in Bewegung. Der chinesische Präsident Xi Jinping hat das Ziel ausgegeben, 2024 Weltmeister zu werden. Fußball wurde in den Schulen als Pflichtfach eingeführt. Aber dass die Transfers solche Dimensionen annehmen wie zuletzt, habe auch ich nicht erwartet.
Ist die jüngste Entwicklung auf die Vorgaben der oberster politischer Ebene zurückzuführen?
Es ist in jedem Fall gut, wenn von oben solche Vorgaben gemacht werden. Dadurch erhalten wir schon positive Unterstützung. Es wurde in den letzten Jahren viel in die Trainerausbildung und in Jugendzentren investiert. Wenn nun auch internationale Topspieler kommen, haben die Jugendspieler zudem Vorbilder, an denen sie sich orientieren können. Das stärkt auch die Motivation.
Begrenzen die ausländischen Spieler nicht die Einsatzmöglichkeiten der eigenen Talente?
Nein, weil maximal fünf ausländische Spielern im Kader sind und drei davon spielen dürfen, kann sich der chinesische Fußball auch weiterhin gut entwickeln.
In Europa sind schon einige verängstigt. Arsène Wenger, der Trainer von Arsenal London, warnte, China könne eine ganze europäische Liga aufkaufen.
Vom finanziellen Aspekt her ist das sicherlich machbar. Die Frage ist, wie nachhaltig das Engagement ist. Wie viel Herzblut steckt dahinter, wie lange haben die Präsidenten und Investoren die Geduld, die Projekte fortzuentwickeln?
Und was glauben Sie? Jörg Albertz, der 2003 Fußballer des Jahres in China war, hat kritisch eingewandt, die Chinesen würden versuchen, den Hausbau vom Dach aus zu beginnen, statt mit dem Fundament.
Natürlich muss man mit dem Fundament beginnen. Den Erfolg kann man nicht kurzfristig kaufen. Aber sie können Impulse erzeugen, wenn sie von oben etwas anschieben.
50 Millionen Euro:JS Suning verpflichtet den Brasilianer Alex Teixeira von Schachtor Donezk.
42 Millionen Euro:Guangzhou Evergrande nimmt den Kolumbianer Jackson Martinez von Atlético Madridunter Vertrag.
28 Millionen Euro:JS Suning lockt den Brasilianer Ramires vom FC Chelsea nach China.
18 Millionen Euro: Hebei China Fortune sichert sich die Dienste des ivorischen Nationalspielers Gervinho vom AS Rom.
14 Millionen Euro:Bereits in der Saison 2014/15 investierte Guangzhou kräftig für den Brasilianer Paulinho.
Zum Beispiel?
In Deutschland haben wir auch sehr lange gebraucht, um den Jugendfußball zu fördern. Auslöser war die schlechte EM 2004 in Portugal. Dann wurde entschieden, mehr in die Ausbildung zu investieren. Das kam damals auch von oben. Beides ist wichtig. Die Entscheidungen von oben und die Arbeit von unten. Wenn in China ein neuer Präsident gewählt wird, der sich nicht für Fußall interessiert, kann sich alles schon wieder ändern.
Sie waren Jugendkoordinator beim Karlsruher SC und sind es jetzt beim amtierenden Meister Guangzhou Evergrande FC. Was ist anders?
Die Dimensionen sind völlig andere. Beim KSC hatten wir einen Hartplatz und einen schlechten Rasenplatz und ein paar Dutzend Spieler. Hier haben wir 3.000 Jugendliche und 50 Rasenplätze. Die Schule richtet sich komplett nach dem Fußball aus.
Das klingt beeindruckend.
Sie müssen sich das wie eine eigene Stadt vorstellen. Wir haben ein eigenes Krankenhaus, ein Kino, Turn-und Schwimmhallen, 28 Basketballplätze. Die Kinder können auch auf der Straße Fußball spielen, es fahren keine Autos. In China wird meist entweder auf die Schule oder auf den Sport wert gelegt. Bei uns wird beides verbunden. Hier wird zudem sehr professionell gearbeitet.
Was heißt das?
Durch eine Kooperation mit Real Madrid, die sich der Verein einen Betrag im zweistelligen Millionenbereich kosten lässt, haben wir 21 hauptamtliche spanische Jugendtrainer, die bis zur U16 trainieren. Wir schicken drei bis vier Jahrgänge nach Spanien, damit sie dort trainieren. Die sind komplett ein Jahr in Spanien. Generell sind wir viel auf Auslandsreisen. Zuletzt waren wir in Europa, Amerika und Indonesien, da es hier keinen geregelten Spielbetrieb für den Nachwuchs gibt.
Welche Früchte bringt denn diese intensive Arbeit hervor?
Von unserem Ziel, Spieler in den Profikader zu bekommen, sind wir noch etwas entfernt, weil die Akademie erst seit vier, fünf Jahren besteht. In der U16 haben wir aber bereits 50 Prozent der chinesischen Jugendnationalspieler. Punktuell haben wir ebenfalls kleine Erfolge vorzuweisen. Ein U19-Spieler ist gerade zu Real Madrid gewechselt.
Und wie erklärt sich die Vorliebe ihres Vereins Guangzhou für Real Madrid und spanische Trainer?
Man möchte sich immer mit den Großen und den Besten messen. Das macht China aus.
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