BRUCKNERS NULLTE SINFONIE : Zu Hause im Bett
In der Schublade riecht es nach Minzöl. Ich rieche nach Minzöl. Ich liege in Stufenlagerung im Bett, unter den Waden einen der letzten Umzugskartons. Aus dem Radio, das auf dem Nachttisch steht, kommen Stimmen, die altes italienisch singen. Ich verstehe nichts, stelle mir aber vor, wie Beethovens Neunte klänge, würde sie von einem klassischen Bandformat gespielt. Eben Gitarre, Bass, Schlagzeug. Dann stelle ich mir das Philharmoniekonzert eines Laptopelektronikers vor: ein Mann, ein Rechner, Bruckners „Nullte Sinfonie“, 300 Zuhörer auf den Rängen.
Bruckner habe ich einmal in der Kölner Philharmonie gehört. Natürlich nicht ihn persönlich, sondern ein Orchester, das ein Werk von ihm spielte. Es erinnerte mich an experimentelle Metalplatten von Unsane oder Helmet. Besonders eindrücklich ist mir der Einsatz von Waldhörnern und anderen alpinen Blasinstrumenten in Erinnerung. Vorsicht, hier kommt die Habsburger Armee! Klingt lächerlich? In Pula, Kroatien, gibt es ein Maritimmuseum mit Bildern der k. u. k. Flotte. Die österreichische Marine! Leider untergegangen.
So liege ich und denke und lese. Es ist nicht so, dass ich mich nicht bewegen könnte, im Gegenteil. Aber Ischiasbeschwerden sind kein Spaß. An der Wand rechts oben vor mir sitzt eine Spinne und bewegt sich nicht. Sie saß auch vor zwei Stunden schon da. Vielleicht hat sie auch gestern schon dort gesessen. Das Radio kann nur einen Sender, daher überhaupt die klassische Musik, die mich selten irgendwohin führt. Die Sendungen mit Neuer Musik gehen da schon besser. Der Sender ist natürlich der Deutschlandfunk aus Köln. Dass er aus Köln kommt, merkt man auch daran, dass die eingeladenen ExpertInnen in den Quasselsendungen fast durchweg RheinländerInnen sind. So hat es der DLF geschafft, eine Art Heimat-sender für mich zu sein. Genau das Richtige für die Spinne und mich. RENÉ HAMANN