LeserInnenbriefe zu verschiedenen Themen

Ich packe ein und gehe

betr.: „Willkommen in Deutschland!“, taz vom 2. 2. 16

Seit zwei Jahren wohne ich in Deutschland. Seit anderthalb Jahren arbeite ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer deutschen Universität, die seit Kurzem über einen Webauftritt in spanischer Sprache verfügt, dessen Texte ich freiwillig übersetzt habe. Ich bin zivilgesellschaftlich engagiert in meiner Stadt. Nun habe ich gelernt, dass von den syrischen Flüchtlingen eine Rückkehr in ihre Heimat erwartet wird, so die Bundeskanzlerin. An der Stelle habe ich mich angesprochen gefühlt. Letztendlich bin ich genauso wenig deutsch wie jeder Flüchtling.

Ein anerkannter Flüchtling erhält nach drei Jahren eine unbefristete Niederlassung. Ich, als EU-Bürger, nach fünf Jahren. Die Erwartungen der Bundeskanzlerin richten sich also nicht nur an Flüchtlinge, sondern eigentlich an alle Ausländer, und auch an mich. Die Bundeskanzlerin hat uns nahegelegt, dass wir hier stören, dass dieses Land kein Platz für uns ist. Wir sind also alle Geduldete, die gefälligst gehen sollten. Ist es denn ein Gnadenakt der Bundesrepublik, dass ich hier leben darf? Dass ich zur Internationalisierung meiner Universität beitragen darf? Dass ich nach meinem besten Wissen und Gewissen mich für eine bessere Gesellschaft einsetzen darf? Dass ich hier meine Steuern bezahlen darf (nicht wie gewisse Deutsche, die nach Steuerhinterziehung in Millionenhöhe das Gefängnis nach wenigen Monaten verlassen können)?

Meine instinktive Reaktion auf die Worte der Bundeskanzlerin war, „ich packe ein und gehe“. Daniel Toda Castán,Speyer

Dylan und Hendrix ebenbürtig

betr.: „Kleines Universum der Anarchie“, taz vom 28. 1. 16

Danke für den liebevollen und kenntnisreichen Artikel von Michael Sontheimer. Nur selten wird die Bedeutung von Ton Steine Scherben für die Rockmusik von der Kritik auch nur annähernd erfasst. Im Sinne einer umfassend angemessenen Würdigung sollte noch erwähnt sein, dass es sich um hochmusikalische und virtuose Musiker handelte, welche nicht nur den Gitarrenrock ihrer Zeit mit definierten (auch und immer bezogen auf den internationalen Kontext), sondern auch – spätestens ab der dritten Platte – immer wieder die Grenzen der Konvention überschritten oder sprengten (um mal im Bild zu bleiben). Das konventionelle Schema des Popsongs war dann nicht mehr Hilfsmittel. Mitunter gab es starke, auch elektronisch und experimentell geprägte, weit ausufernde Passagen und Songs, welche – wenn überhaupt – wohl nur dem Jazz und der Avantgarde zugeordnet werden können. Das ursprüngliche Line-up aus Rio, Lanrue, Sichtermann und Seidel hatte sich zu der Zeit auf ein Kollektiv von bis zu dreizehn und mehr Leuten erweitert. Wesentliche Impulse (Chorgesang!) kamen von Funky Götzner, Martin Paul, Britta und Hannes Eyber. Weil das alles so ist, wie es ist, können die Scherben durchaus mit Dylan und Hendrix in einem Atemzug genannt werden. Johannes Kerssenbrock,Berlin

Die AfD bringt es ans Licht

betr.: „Geronnener Hass, verlorene Freiheit“, taz vom 2. 2. 16

Meine Arbeitskollegen in der 80er Jahren wollten Öko- und Friedensdemonstranten, Immigranten und Kriminelle wahlweise mit dem Maschinengewehr erledigen, auf dem Marktplatz aufknüpfen oder in den Minengürtel der Zonengrenze jagen. Sie waren SPD-Wähler und Bild-Zeitungsleser. 10–20 Prozent der Deutschen haben ein geschlossenes rechtsradikales Weltbild – so zahlreiche Studien seit den 80er Jahren. Die AfD bringt dies nun ans Tageslicht. Hans Baier,Frankfurt