: Frankreich versilbert Stromkonzern
Europas größter Stromproduzent geht an die Börse. Gegen den Teilverkauf der Electricité de France hagelt es Proteste
PARIS taz ■ Der größte Atomstromhersteller der Welt, die französische „Electricité de France“, geht an die Börse. Zunächst 15 Prozent von Frankreichs profitabelstem staatlichen Unternehmen will der französische Staat verkaufen. Der Verkauf der EDF-Aktien, den die Regierung seit drei Jahren hinter verschlossenen Türen vorbereitet, soll noch im November beginnen. Premierminister Dominique de Villepin vermied gestern den Begriff „Privatisierung“ und sprach lieber von einer „Kapitalaufnahme“ der EDF, die für weitere internationale Zukäufe der EDF nötig sei. Um die bittere Pille zu versüßen, unterzeichnete er gleichzeitig einen „Vertrag über den öffentlichen Dienst“. Er garantiert niedrige Tarife und günstige Konditionen für sozial schwache Stromverbraucher. Zumindest bis zum Sommer 2007.
Dass dieses tarifliche „Zugeständnis“ reicht, um die Kritik sämtlicher Gewerkschaften und aller linken Parteien zu bremsen, ist fraglich. Die Linke hat angekündigt, dass sie diese „Verschleuderung des öffentlichen Dienstes“ verhindern will. Die Gewerkschaften von EDF haben schon in den vergangenen Monaten stellenweise den Strom aus Protest abgeknipst. Heute will die CGT, die größte von ihnen, die ersten 100.000 Unterschriften unter ihre Petition „EDF 100 % public“ bei der Regierung abgeben. Sie verlangt, dass die Gewinne der EDF dem „Allgemeininteresse zugeführt werden und nicht den Portefeuilles von Aktionären“. Einer der linken Präsidentschaftskandidaten, Laurent Fabius von den Sozialisten, hat versprochen, für den Fall seiner Wahl zum Staatspräsidenten im Jahr 2007 die Privatisierung rückgängig zu machen.
Bei der EDF-Privatisierung, die von dem ehemaligen linken Regierungschef Lionel Jospin und dem neogaullistischen Staatpäsidenten Jacques Chirac gemeinsam bei einem EU-Gipfel in Barcelona vereinbart worden ist, tut sich die französische Regierung schwerer als bei anderen Privatisierungen. Denn EDF ist eine Cash Cow – ein Unternehmen, das allein in diesem Jahr einen Umsatz von 6,6 Milliarden Euro und Nettogewinne von 2,1 Milliarden Euro erwartet. Auch seine hohe Schuldenlast kann der Konzern in diesem Jahr um rund 22 Prozent auf nur noch 19,1 Milliarden Euro senken. Der französische Monopolist hatte sich nur verschuldet, weil er sich in den vergangenen Jahren weltweit bei anderen Stromherstellern einkaufte. In Deutschland hält der französische Stromriese seit dem Jahr 2001 45 Prozent des viertgrößten deutschen Stromversorgers, EnBW in Baden-Württemberg.
Die Franzosen quer durch alle politischen Lager hängen an dem öffentlichen Unternehmen EDF: Der Konzern biete verlässliche Qualität zu sozialen Gebühren. Die Arbeits- und Lohnbedingungen für die 160.000 Beschäftigten sind gut und gelten als beispielhaft für die Privatwirtschaft. DOROTHEA HAHN