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Archiv-Artikel

Schüler bleiben weg, Lehrer gucken weg

Nach einer Studie des Deutschen Jugendinstituts reagieren Lehrer häufig falsch auf Schwänzer. Die Forscher verlangen:Die Pädagogen müssten auf Schulverweigerer früher aufmerksam werden. Außerdem sollten sie nicht strafen, sondern fördern

VON JAN PFAFF

Ein Schüler kommt nicht in die Schule – und zur Strafe darf er nicht mehr am Unterricht teilnehmen. Dass Lehrer häufig so absurd auf das Schwänzen reagieren, hat eine Studie des Deutschen Jugendinstituts ergeben.

Demnach wurden 16 Prozent der befragten Schulschwänzer mit Schulausschluss bestraft. Anderen begegneten die Lehrer bei ihren seltenen Besuchen in der Schule einfach mit Nichtbeachtung. Frank Braun vom Deutschen Jugendinstituts forderte deshalb gestern eine neue Kultur an den Schulen: „Bisher wird von den Lehrern das Problem zu oft verdrängt.“ Zum Beispiel ahne der Klassenlehrer oft, dass ein Schüler schwänzt, da er mit einem Fachlehrer nicht auskommt. „Aber statt den Lehrer anzusprechen, ist der Klassenlehrer lieber still, damit es keinen Ärger unter Kollegen gibt.“

Jedes Jahr verlassen zehn Prozent der Jugendlichen eines Jahrgangs die Schule, ohne einen Abschluss zu machen. Die meisten Schulabbrecher scheitern allerdings nicht an mangelndem Grips, sondern an Schulmüdigkeit. Monatelang gehen sie nur sporadisch zum Unterricht oder verweigern sich völlig. Statt sich intensiv um diese Problemkinder zu kümmern, lassen Lehrer und Eltern sie mit ihren Sorgen jedoch oft allein.

Für die Studie fragte das überwiegend aus Bundesmitteln finanzierte Institut 300 Schulschwänzer aus Hauptschulen in ganz Deutschland, warum sie über Monate und manchmal Jahre dem Unterricht fern geblieben sind. Die Karriere als Schulschwänzer fängt früh an – bei vielen schon vor dem zwölften Lebensjahr.

Als Gründe für notorisches Schulschwänzen werden am häufigsten genannt: Konflikte mit Lehrern und Mitschülern, zu hoher Leistungsdruck und Angst vor Versagen sowie Probleme in der Familie.

Jungen sind sehr viel stärker gefährdet als Mädchen. Zwei Drittel aller Abbrecher sind männlich. Schulmüde Mädchen bevorzugen hingegen die „innere Emigration“. Sie nehmen noch am Unterricht teil, sind aber geistig abwesend. „Oder sie schwänzen gerade so viel, dass es nicht wirklich auffällt“, sagt Braun. Ihren Abschluss schaffen Mädchen meist dennoch.

Die Autoren der Studie verlangen, dass die Lehrer besser ausgebildet werden, damit sie schon erste Anzeichen von Schulverweigerung erkennen. Kritisch seien vor allem die Übergangsphasen. Besonders der Wechsel von der Grundschule zur höheren Schule und die Zeit vor dem Abschluss sind belastende Phasen, auf die viele mit Verweigerung und Rückzug reagieren. Für einen Erfolg müssen aber auch die Eltern mitarbeiten. Die Empfehlung der Studie ist eindeutig. Statt die Schwänzer zu strafen, müssen sie besser gefördert werden. Sonst könnte die Zahl der Schulabbrecher weiter steigen.