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KUNST

KunstNoemi Molitorschaut sich in Berlins Galerien um

Ein Drahtmännchen mit einer Lupe als Kopf umklammert ein kleines Pappkärtchen. „Let the right one in“ heißt es treffend, denn durch die Videoprojektion dreier digitaler Rechtecke, die sich mal öffnen, mal zum Strich zusammenziehen, wird das Kärtchen durch die Lupenlinse hindurch auf das Papier gebündelt zum Gesicht der kleinen Kreatur. Dae-Hong Kims „Zoo/Lab“ im Künstlerhaus Bethanien ist ein wunderbar minimalistischer White Cube samt Light Cube. Kleine weiße und rote Mülltüten-Roboter schlurfen, scharren und schnarren über den weiten Boden des Ausstellungsraums. Wie Kaulquappen sehen sie aus, bewegen sich im eigenen Tempo durch den Raum oder gemächlich auf der Stelle, so wie das blaue Häufchen Wesen, das in der hintersten Raumecke auf und ab sinkt und sich ganz in den Winkel zwischen Wänden und Fußboden schmiegt. Oder die krabbenartige Gestalt, die in einem grell ausgeleuchteten Kasten das Atmen übt. Kims Frosch-Yetis lassen die Spielzeug-nano-bugs, die ihr Inneres bilden, vollkommen verschwinden und erscheinen so organisch, dass sie die Frage nach dem Leben der Dinge von allein beantworten (Bis 14. 2., Di.–So., 14–19 Uhr, Kottbusser Str. 10).

Geht es nur mir so oder zitiert Peaches in ihrem durchaus surrealen Musikvideo zum gleichnamigen Album „Rub“ in der Tradition der Feminist Re-enactments Caroline Schneemanns „Interior Scroll“ von 1975? Bekennendermaßen ist Peaches auch von Cindy Sherman inspiriert. Mit Florian Werner, Autor der ersten kulturhistorischen Einordnung menschlicher Extremente, diskutiert sie am 10. 2. über eben erwähntes Album und ihre Beziehung zu Shermans Fotografien, die derzeit im me collectors room ausgestellt sind. Stelle ich mir heiß vor, diese Reflexion über Gender als Zitat und das künstlerische Zitieren in Bildinszenierungen. Wie singt Peaches doch so schön im Song „Drink Ticket“: „Juggle crap to crap, I‘m not having that” (Gespräch: 10. 2., 19.30 Uhr, Auguststr. 68).

Die am schönsten inszenierten Visitenkarten gibt es am Wochenende bei den Berlin Graphic Days #7 im Urban Spree: Ausstellung, Messe und Festival für Grafik, Illustration, Siebdruck und andere visuelle Kunst. Zur Eröffnungsparty am Freitag wird live gezeichnet. Die letzten Male war die Atmosphäre am Wochenende trotz der Fülle an Materialien und Menschen entspannt. Große Graphic-Novel-Verlage treffen auf neue Künstler_innen, die fern der Kunstschule ihren eigenen Stil entwickelt haben. Also nicht nur gucken: quatschen! Auch hier haben die Leute Lust, über ihre Arbeit zu reden (5.–7. 2., Sa.: 13–22 Uhr, So.: 13–20 Uhr; Party: 4. 2., 20 Uhr, Revaler Str. 99).

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