Das haben die Dichter nicht verdient

NEUES „ROMANISCHES CAFÉ“

Ein Frühstück in Form staubiger Brötchen

Es war ja schon irgendwie klar. Hier, im Romanischen Café des neuen Fünf-Sterne-Hotels Waldorf Astoria, wird sich kein Treffpunkt der Künstlerboheme etablieren – schon gar nicht so einer wie im alten Romanischen Café der Goldenen Zwanziger. Denn Berlins Boheme verirrt sich nicht in den ollen Schmuddelwesten am Bahnhof Zoo. Auch dann nicht, wenn hier eine Hotelkette, die wegen eines Salats mit zu viel Mayonnaise zu Berühmtheit gelangte, 200 Meter entfernt vom ursprünglichen Standort des Cafés, Aufwertung versucht.

Da hilft kein Hochhaus, das die Gedächtniskirche „verzwergt“, wie es heißt. Da helfen auch keine großen Namen wie Döblin, Brecht und Kästner, die einmal im Romanischen Café verkehrten – Namen von „freien Geistern“ und „aus Protest Entwurzelten“ übrigens, wie Erich Mühsam dies so schön beschrieb – Leuten also, die ihr Zeug tatsächlich in Cafés verfassten und sich dabei ganze Tage an eine Tasse Kaffee krallten.

Nun, es kommt noch schlimmer. Denn wenn man dort schon keine Bohemiens erwartet hätte, so doch wenigstens ein bisschen Luxus. Weit gefehlt: Das neue Romanische Café versprüht mit seinen hellgrauen Ledersesseln den Charme von günstigem Edelkitsch. Bei den allerersten Gästen, die sich am Donnerstag zur Eröffnung des Hotels hierher verirrten, handelte es sich um Abziehbilder von Wilmersdorfer Witwen, die tatsächlich den erwähnten Salat bestellten, dazu eine Flasche vom billigsten Wein für 45 Euro, und sich so laut über ihre Brillanten unterhielten, dass man es noch fünf Tische weiter mitanhören musste. Das Französische Frühstück schließlich kam in Form staubiger Brötchen wie vom Vortag und der Latte Macchiato in doppelwandigen Gläsern aus mikrowellenfestem Material, in denen sich das Heißgetränk so kühl anfasst, dass man sich die Berliner Schnauze verbrennt.

Apropos Berlin: Vielleicht ist das neue Romanische Café auch so etwas wie ein Blick in die Zukunft. Denn bald wird es in dieser Stadt überhaupt keine Bohemiens mehr geben. Das schließt sich schon wegen der steigenden Mieten aus. Berlin wird aber auch niemals Luxus können, mit dem man doch gemeinhin für die vertriebene Boheme entschädigt werden soll. Es ist traurig. SUSANNE MESSMER