Der Mann, der weiß, was Frauen denken

KRIMI Beerdigung als Happy End: In Christopher Brookmyres Glasgow herrschen Drogen und Korruption

Christopher Brookmyre schreibt und veröffentlicht seit 16 Jahren Thriller. Jetzt ist zum ersten Mal einer ins Deutsche übersetzt worden. Eigentlich seltsam, dass es so lange gedauert hat, doch weist das wahrscheinlich darauf hin, dass die Bücher des 1968 geborenen schottischen Autors etwas quer zum Genre liegen. Sie passen nicht ohne Weiteres in jedes Verlagsprogramm. Zum Berliner Galiani Verlag, der sich schon verschiedentlich um den Humor in der Literatur verdient gemacht hat, passt Brookmyre aber ziemlich gut.

In „Wer schlafende Hunde weckt“ lässt sich ein Autor entdecken, der pointierte Figurenzeichnung mit treffsicherer Milieuschilderung verbindet und beides mit hintergründigem Sinn für das komische Element im menschlichen Dasein darbietet. Die sehr figurenreiche Handlung allerdings wird mitunter etwas unübersichtlich. Aber das ist ja ein grundsätzliches Problem des Drogen- und Korruptionsthrillers.

„Wer schlafende Hunde weckt“ spielt in Glasgow, der Heimatstadt des Autors, die ein raues Pflaster sein muss. In Brookmyres Glasgow jedenfalls („Glesca“, wie der Schotte sagt) dominieren Drogenbanden das städtische Business, und im Polizeiapparat muss es irgendwo eine undichte Stelle geben. Brookmyre schickt eine Frau ins Rennen, um diesem Unwesen den Kampf anzusagen: Detective Superintendent Catherine McLeod, eine brillante Kriminalistin, die getrieben wird von einem privaten Hass auf mafiose Kriminelle.

Ihr Gegenstück findet sie, in einer Parallelhandlung, in der erfolglosen jungen Schauspielerin Jasmine, die sich mangels anderer Berufsaussichten in der Detektei ihres Onkels als Hilfsdetektivin durchschlägt. Eine interessante Figurenkonstellation, die zeigt, dass Brookmyre weder Angst hat, in irgendwelche Gender-Klischeefallen zu tappen, noch diese fürchten muss. Beide Hauptfiguren sind gerade so weit überzeichnet, um als Typen interessant zu sein, in ihrem Innenleben aber so weit auf den realistischen Boden wahren Empfindens zurückgeholt, um ernst genommen zu werden.

Woher weiß dieser Brookmyre eigentlich, was Frauen so denken? – Die Neudetektivin Jasmine jedenfalls hat gerade ihre Mutter verloren, und wie es scheint, ist auch ihr Onkel Jim bei der Aufklärung eines Falles auf Nimmerwiedersehen verschwunden.

Als sie sich aufs Land aufmacht, um mit einem Mann zu sprechen, den Jim zuletzt besucht haben muss, wird sie um ein Haar erschossen. Zum Glück rettet ein finsterer Fremder ihr das Leben. Zur selben Zeit in Glasgow unterhält Detective Superintendent McLeod sich mit so ziemlich allen Gangstern der Stadt, um herauszufinden, wer jenen Gangsterkollegen ermorden ließ, der von Kugeln durchsiebt in einer dunklen Gasse gefunden wird.

Natürlich werden nach und nach beide Handlungen in ein und denselben Knoten geschürzt, der dann wieder entwirrt werden muss; ein Prozess, bei dem man, wie erwähnt, schon mal den Überblick verlieren und auch das Gefühl haben kann, dass dieses Buch dann doch manche Länge enthält. Aber am Ende stellt sich ernsthaft die Frage, wie genau der Autor es eigentlich hingedreht hat, dass man so ohne Weiteres bereit ist, die beiden Beerdigungen, die zum Schluss des Romans stattfinden, als Happy End zu akzeptieren. Das ist wirklich ganz schön gewieft gemacht.KATHARINA GRANZIN

Christopher Brookmyre: „Wer schlafende Hunde weckt“. Aus dem Englischen von Hannes Meyer. Galiani Berlin, 398 S., 19,99 Euro