: Nur den Strompreis verhüttet
Norsk Hydro wirbt um Verständnis für Schließung des Hamburger Aluminium-Werks. Die gescheiterten Verkaufsgespräche referieren der Konzern, die Wirtschaftsbehörde sowie die Interessentin Georgsmarienhütte vollkommen unterschiedlich
von Gernot Knödler
Der norwegische Konzern Norsk Hydro hat sich gestern erstmals gegen den Vorwurf verteidigt, er vereitele aus geschäftspolitischen Gründen die Rettung des Hamburger Aluminium-Werks (HAW) und schicke damit ohne Not 450 Mitarbeiter auf die Straße. Entscheidend sei der überhöhte Strompreis, den die Hütte nach dem Auslaufen ihrer Lieferverträge zum 1. Januar zu zahlen hätte. „Die Strompreise nehmen uns die Luft zum Atmen“, sagte Dieter Braun, Chef der deutschen Tochtergesellschaft Hydro-Aluminium in Köln.
Die Georgsmarienhütte Holding (GMH), die das HAW kaufen wollte, habe kein Angebot vorgelegt, das für Hydro besser gewesen wäre als die Schließung des Werks. Wirtschaftsbehörde und GMH sehen das anders: Hydro sei gar nicht zu ernsthaften Verhandlungen bereit gewesen. In entscheidenden Punkten steht so Aussage gegen Aussage.
Braun zufolge hatten die Gesellschafter des HAW – zu je einem Drittel Alcoa, Amag und Norsk Hydro – einen Katalog gemeinsamer Forderungen verabschiedet, die keiner der Kaufinteressenten habe erfüllen wollen: Diese sollten darlegen, dass sie Strom und Tonerde – die wichtigsten Komponenten der Aluminiumproduktion – zu günstigeren Bedingungen würden beziehen können als das HAW in der Hand der Alteigentümer.
Sie sollten versprechen, die Rückstellungen nicht anzutasten, die das HAW für einen Sozialplan, Pensionen, die Wiederherstellung des Werksgeländes und das Beheben etwaiger Umweltschäden gebildet hat. Eine Übernahme des Werks sollte für die Altgesellschafter die gleiche Wirkung wie eine Schließung haben: Sie wollten nicht mit Nachforderungen aus einer möglichen künftigen Insolvenz konfrontiert werden. Denn nach deutschem Recht könnten Alteigentümer, die das Werk im Wissen verkauft haben, dass es nicht rentabel zu betreiben sei, von einem Insolvenzverwalter haftbar gemacht werden.
Der Verkauf dürfe die Alteigentümer nach Steuern nicht mehr kosten als eine Schließung. Überdies habe Hydro sicherstellen wollen, dass ihr benachbartes Walzwerk zu den gleichen, rentierlich kalkulierten Preisen von der HAW-Gießerei mit Barren beliefert werde wie heute.
Die GMH hatte am Freitag mitgeteilt, sie habe „ein tragfähiges und nachhaltiges Übernahmeangebot vorgelegt“. Sie habe „eine Freistellungsverpflichtung abgegeben, welche die Altgesellschafter gegen die nochmalige Zahlung der Schließungskosten absichern sollte“. Nach Auffassung der Wirtschaftsbehörde war diese ausreichend. Für Hydro nicht: „Es gibt nur bestimmte Rahmenbedingungen, unter denen GMH das machen kann, und unsere Juristen sagten, dass die angebotenen Bedingungen nicht ausreichen“, so Braun.
„Entscheidend bleibt, dass Hydro sich weigerte, über das Angebot der GMH zu verhandeln“, hielt die Wirtschaftsbehörde vor der Presse dagegen. Das gelte auch für die Frage der zu zahlenden Steuern, für die man eine Lösung hätte austüfteln können, ebenso für die Belieferung des Walzwerks durch die Gießerei.
Das Hydro-Walzwerk beziehe die Barren heute selbstverständlich zu marktgerechten Preisen, sagte Braun, schließlich seien die Mitgesellschafter Alcoa und Amag ja nicht bereit, Norsk Hydro zu subventionieren. Er befürchte jedoch, dass die Gießerei die Preise erhöhen würde, sollte sie in die Hand eines neuen Eigentümers gelangen. Aus anderer Quelle hört man das Gegenteil: Hydro habe eine Belieferung des Walzwerks zu unannehmbaren Konditionen verlangt.