der rote faden
: Von alten Gangstern und mittelmäßiger Intelligenz

nächste wocheRobert Misik Foto: Stefan Boness

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Daniel Schulz

Was macht eigentlich Beate Zschäpe, wenn sie mal alt ist? Wenn man ihrer schriftlichen Aussage im NSU-Prozess folgt, hatte sie mit Waffen nie viel zu tun. Die Pensionsbeschaffung per Panzerfaust, wie sie ehemalige Mitglieder der Rote-Armee-Fraktion pflegen, müsste sie erst noch üben.

RAF

Eine Geschichte aus dem Popcornkino – alte Gangster wollen ein letztes Ding drehen. In den Filmen sieht das putzig aus und auch Springer (Bild: „Die Rückkehr der RAF-Rentner!“) weiß nicht so recht, ob man die Räuber als Bedrohung ernst nehmen sollen. Im Hell’s-Grannies-Sketch der britischen Monty Pythons schlägt eine Bande alter Frauen zwei schön gekämmte Typen im Park zusammen. Dazu eingespieltes Lachen. Die Alten gefährlich? Eher nö. Die Statistiken decken das. Und dann schaut man dem 69-jährigen Donald Trump beim Schimpfen auf Muslime zu. Oder besucht eine Pegida-Demo, auf der grauhaarige Menschen gerne Merkel hinrichten würden. Die Alten gefährlich? Eher ja.

CDU und SPD in Rheinland-Pfalz haben vor der AfD, Durchschnittsalter 51, älter wirkend, eine solche Angst, dass sie ein abgedrehtes Verrenk- und Verwirrspiel inszenieren, nur um nicht mit der Greisengang ins Fernsehen zu müssen.

Vor drei Jahren sprach der Publizist Hamed Abdel-Samad auf einem Podium des taz.lab über den Arabischen Frühling und sagte, dass in Deutschland, die Revolten künftig wohl eher nicht von den Jungen kommen würden wie in Tunesien oder Ägypten, sondern von den Alten. Die hätten die Zeit und das Geld dafür. Facebook sei nicht besonders kompliziert zu bedienen. Damals ging es um Stuttgart 21 und noch nicht um die Umwandlung Deutschlands in eine Lynchokratie.

Alte

Man ist so jung, wie man sich fühlt, das war mal eine Feelgood-Parole, die das Leben nach der Ü-40-Disco erträglicher machen sollte. Heute klingt sie wie eine Drohung.

Alte benehmen sich wie Junge, entdecken die Lust am Halbstarken. An der Sprache, am Mir-doch-scheißegal, am Jetzt- erst-recht. Ohne diesen Lustfaktor ist das Überleben von Pegida nicht zu erklären. Wer bitte stellt sich Woche für Woche in diese Dreckskälte und hört Lutz Bachmann zu? Okay, am Mittwoch haben Dresdner Wissenschaftler ein Buch veröffentlicht, in dem steht, dass die Leute Bachmann gar nicht zuhören, aber kalt ist es bei den Demos ja doch. Und erst die anderen Menschen, die da mitlaufen.

Pegida

„Schlecht aussehende Leute, die nicht reden können, stürzen schlecht aussehende Leute, die nicht reden können. Sinnlos“, hat Christian Y. Schmidt mal über die Revolution 1989 in Leipzig geschrieben, und ästhetisch hat sich so viel seitdem bei den „Wir sind das Volk“-Kundgebungen nicht getan. Das übersteht nur, wer es richtig geil findet, gegen die Großen aufzubegehren, niemand benutzt das Wort „Mutti“ inzwischen noch so exzessiv wie die Pegidas. Der in seinem Land sehr reich gewordene Donald Trump sagt stattdessen „Establishment“. Mental ist das irgendwo zwischen Pubertät und dem Entsetzen, wenn man im ersten Job erkennt, dass man jetzt jeden Tag früh aufstehen muss.

Aber diese Haltung macht die jungen Alten für jedes Argument unzugänglich. Wer langsam redet und nicht schreit, hat einfach nicht kapiert, was abgeht; aus dieser Perspektive sieht der junge Punk aus Dresden Mutti Merkel zum Verwechseln ähnlich. In logischen Zusammenhängen reden ist auch nur noch was für Loser, in dieser Woche schreibt Sascha Lobo auf Spiegel Online angesichts des wirren Gefasels vieler Pegida-Fans einen Hilferuf, zumindest die mittelmäßig Intelligenten mögen doch bitte ins Internet kommen.

Sarah Palin

Und wer am Dienstag die Rede von Sarah Palin gehört hat, mit der sie Trump unterstützen wollte – Right wingin’, bitter clingin’, proud clingers of our guns, our God, and our religions –, der fragt sich: Was war das? Ein Gedicht? Ein Lied? Als würde man sich wie ein besorgter Vater über die Metalplatte des Sohnes beugen und sich fragen, was diese langhaarigen Gestalten da singen.

Wer ist schuld? Die Gesellschaft, die ist es ja immer. Erinnern wir uns noch, wie deutsche Literaturkritiker befanden, die jungen Schriftsteller hierzulande seien blutarme Langweiler. Die vielen Texte darüber, wie angepasst die Jungen einfach so vor sich hin leben. Auch in der taz wird von jedem unter 30 mindestens die Revolution verlangt, aber wenn die was fordern, ist es nie das, was man von ihnen erwartet.

Die Ursache für die Gewalt der Großmütter liege in der „absoluten Zurückweisung der Werte der heutigen ­Gesellschaft“, sagt der Moderator im Monty-Python-Sketch. Danach versenkt ihn die Grannie-Gang im Gully.