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Von ausgestorbenen Nashörnern und dem Axolotl – eine VerabschiedungWen schert schon die Freiheit?

Foto: privat

Tier & Wir Heiko Werning

Zwei Nachrichten aus dem Jahr 2015: Malaysia gab bekannt, dass das Sabah-Nashorn in freier Natur ausgestorben sei. Die Gründe: Wilderei wegen des Horns und Verlust des natürlichen Lebensraums. Derweil meldete Mexiko, dass der Axolotl in seiner Heimat ebenfalls ausgestorben sei. Das ist ein merkwürdiger Molch, der sein Leben lang im Larvenstadium verharrt, also niemals die Metamorphose zum erwachsenen Tier durchläuft – ein echtes Unikum. Schon bei den Azteken war er als „Wassermonster“ Teil der Mythologie. Erledigt hat ihn die Verschmutzung und Übersiedelung seines Heimatgewässers.

Zwei ähnliche Tragödien mit einem entscheidenden Unterschied: Während es um das Sabah-Nashorn wohl wirklich geschehen ist, weil es nur noch eine Handvoll Tiere in menschlicher Obhut gibt, paddeln Abermillionen Axolotl glücklich und zufrieden in den Aquarien von privaten Liebhabern, Zoos und wissenschaftlichen Einrichtungen umher und stehen damit nicht nur den Menschen zur Freude, sondern auch der Forschung und Wiederauswilderungsprojekten nach einer hoffentlich eines Tages erfolgten Verbesserung der Bedingungen vor Ort zur Verfügung.

„Artgerecht ist nur die Freiheit“, lautet ein inflationär gebrauchter Slogan der Tierrechtsbewegung, und ehe man Tiere „in Gefangenschaft“ halte, sei es doch besser, wenn sie „in Würde aussterben.“ Aber wie stirbt man eigentlich würdevoll aus? Bewahrt man ausreichend Würde, wenn die letzten Vertreter abgeknallt werden, damit aus einem kleinen Teil von ihnen völlig wirkungslose Krebs- und Potenzmittelchen hergestellt werden? Oder ist es noch würdevoller, wenn man im zu klein gewordenen Lebensraum nicht mehr genug findet, um grundlegende Bedürfnisse zu befriedigen? Wenn es keinen Partner mehr gibt, weil das begehrte Lustobjekt längst zerrieben in kleinen Tütchen an irgendeinem Marktstand herumliegt?

Man soll Tiere nicht vermenschlichen, aber man darf doch annehmen, dass Nashorn und Axolotl sich einen Dreck um ihre vorgebliche Freiheit scheren würden, wenn sie die Wahl hätten. Zumal das Hohelied auf das freie Leben in angeblich unberührter Natur (die es ja ohnehin nirgends mehr gibt) besonders absurd klingt aus dem Mund jener Tierart, die all ihr Streben darauf zielt, sich selbst möglichst weit davon zu entfernen. Und sich stattdessen in ein schön geheiztes Büro an einen Schreibtisch setzt, um dort Kolumnen zu schreiben und sich dabei darauf freut, das Mittagessen gleich nicht mühsam erjagen zu müssen, sondern einfach zum Falafel-Laden um die Ecke zu gehen. Meinem Axolotl bringe ich gern einen kleinen Snack mit. Und gemeinsam singen wir dann frei nach Westernhagen: „Freiheit, Freiheit / ist das Einzige, was zählt.“

Womit dieses kleine, einjährige Kolumnengastspiel an dieser Stelle auch endet. Lassen Sie sich überraschen, bald starten hier neue, spannende Kolumnen. „Tier und wir“ bleibt Ihnen allerdings erhalten, im taz-Blog „Reptilienfonds“ von Jakob Hein und mir. Bis dahin, machen Sie’s gut. Und genießen Sie die Vorzüge Ihrer Unfreiheit!

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