: „Verkaufsaktion à la Ramschladen“
Der Verkauf des Berliner Verlags an die Investoren um David Montgomery stößt überwiegend auf Kritik. Die nicht immer berechtigt ist
BERLIN taz ■ Die Ablehnung kam so prompt wie einhellig: Die „unnötige Eile“ des Deals erinnere ihn an „eine Verkaufsaktion à la Ramschladen nach dem Motto: Alles muss raus“, so der Chef des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), Michael Konken. Durch den Einstieg britischer Investoren im deutschen Zeitungsmarkt sei „die Hemmschwelle weg, die Tür ist aufgerissen“, sagte Konken der taz. Die deutsche Zeitungslandschaft leiste durch ihre ernorme Vielfalt einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Pressefreiheit. Er befürchte aber, dass „ausländische Investoren gerade diesen Aspekt nicht so stark bewerten“. Ihnen ginge es vor allem um hohe Renditen.
„Klare Garantien für den Erhalt der Verlagsgruppe“ forderte der stellvertretende Ver.di-Vorsitzende Frank Werneke. Die „publizistische Unabhängigkeit“ der Titel müsse jetzt durch „Redaktionsstatute und Mitbestimmungsrechte bei der Besetzung der Chefredaktionen“ verteidigt werden. Redaktionsstatute, die die Rechte der Redaktion gegenüber dem Verleger festschreiben, gibt es beim Berliner Verlag bisher nicht.
Sogar die Medien-Staatsministerin der Bundesregierung schaltete sich ein: „Ich mache keinen Hehl daraus, dass mir die Übernahme des Berliner Verlages durch eine Gruppe von Finanzinvestoren Sorge um die journalistische Qualität und die Zeitungskultur in Deutschland bereitet“, sagte Christina Weiss (parteilos). Holtzbrinck als Verkäufer hätte es „im Sinne der öffentlichen Aufgabe der Presse besser angestanden, den Berliner Verlag in die Hände eines anderen Verlagsunternehmens zu legen“.
Dass diese vermeintlich bessere Lösung einen neuen Schub in Sachen Pressekonzentration bedeutet hätte, sagte Weiß jedoch nicht. Auch waren die „anderen Verlagsunternehmen“, die sich in den vergangenen Wochen als weiße Ritter empfahlen, für die künftige Ausrichtung des Berliner Verlags nicht eben Vertrauen einflößend: Dem Kölner Verlegerpatriarchen Alfred Neven DuMont (Kölner Stadt-Anzeiger, Kölnische Rundschau, Express, Mitteldeutsche Zeitung, Halle) geht der Ruf voraus, sich höchst regelmäßig in die redaktionelle Linie seiner Blätter einzumischen. Und die Essener WAZ-Gruppe ist weniger bekannt durch Qualitätsjournalismus als durch Renditeerwartungen – ähnlich denen der britischen Investoren.
Auch nach dem nun vollzogenen Verkauf, den das Bundeskartellamt noch genehmigen muss, herrscht mehr Unklarheit als Durchblick: David Montgomery will aus dem Berliner Verlag das „Hauptquartier“ einer regionalen Zeitungsgruppe machen. Fünf bis acht Jahre dauert üblicherweise ein Engagement von Montgomerys Mecom und seinem Investment-Partner Veronis Suhler Stevenson (VSS), bevor sie mit möglichst hohem Aufschlag weiterverkaufen. Doch der Aufbau der geplanten Titel-Kette im hiesigen Zeitungsmarkt ist in so kurzer Zeit kaum zu schaffen. Springer und die WAZ-Gruppe brauchten dazu Jahrzehnte. Erste Blätter, offenbar von Mecom als weitere Kaufobjekte erwogen, winken bereits ab: Man stehe keinesfalls zum Verkauf, heißt es bei der Koblenzer Rhein-Zeitung.
Beim geplanten Zukauf weiterer Titel wird auch das Bundeskartellamt wieder mitzureden haben. Kartellamts-Präsident Ulf Böge hat bereits erklärt, „solche Ketten wären wettbewerblich bedenklich“. Böge will auch den gestrigen Deal genau prüfen, um „Umgehungstatbestände“ auszuschließen. Die Besorgnis kommt nicht von ungefähr: Holtzbrinck hatte den Berliner Verlag nach der ersten Kartellentscheidung einfach verkauft – an einen ehemaligen Holtzbrinck-Manager, den das Kartellamt als Strohmann ansah. STEFFEN GRIMBERG