: Der unterdrückte Gesang der Frauen
Dokumentation In der Philharmonie feiert die iranische Produktion „No Land’s Song“ Premiere
Ayat Najafi
Vor vier Jahren startete die iranische Komponistin Sara Najafi mit ihrem Bruder Ayat ein ambitioniertes Projekt. Sie reichte beim iranischen Kulturministerium einen Antrag ein für ein Solokonzert einer Frau in Teheran – das erste seit der islamischen Revolution 1979. Sie plante, über dieses Ereignis einen Film zu machen – gegen das Vergessen der weiblichen Stimme.
Ein großer Schritt
„No Land’s Song“ heißt nun das Ergebnis, am Mittwochabend kamen gut 200 Leute zur Vorpremiere des deutsch-französischen Dokumentarfilms in die Berliner Philharmonie. „Dieses Konzert sollte ein großer Schritt sein“, sagte Najafi während der anschließenden Diskussion. Doch Auswirkungen, gar politische Veränderungen habe man danach keine gespürt. Im Gegenteil, die Regierung schwieg: Es gab keine Presse und es durfte auch nicht berichtet werden.
Najafi musste ein Dokument unterzeichnen, das Schweigepflicht darüber auf Facebook beinhaltet. „Sie haben das Konzert einfach ignoriert, als hätte es nicht stattgefunden“, erklärt der 39-jährige Ayat Najafi, der das Drehbuch schrieb. Bislang habe es keine negativen Folgen für die beim Konzert involvierten iranischen Musikerinnen gegeben.
Und das, obwohl seit 35 Jahren die Scharia das Leben regelt. Viele Frauenrechte sind seitdem massiv beschnitten, Frauen dürfen bestimmte Berufe nicht ausüben, rechtlich und gesellschaftlich sind Mann und Frau bei Weitem nicht gleichgestellt. Darunter leidet bis heute die Musik. Zwar gibt es Konzerte, Bands und Veröffentlichungen, doch Frauen ist es nur in Begleitung anderer, vor allem Männer, erlaubt vor Publikum zu singen.
Mit Hartnäckigkeit, Ausdauer und mit der Hilfe von Musikerkollegen aus Frankreich ist es den Geschwistern gelungen, das Konzert umzusetzen. Der Wahlberliner Ayat Najafi, der sich auf Regie fokussiert hat, dokumentiert das einfühlsam. Er pendelt für die Aufnahmen, die sich bis September 2013 zogen, zwischen Paris und Teheran. „Ich war immer als Saras Bruder dabei“, sagt er. Probleme hatte er keine – im Gegensatz zu den Musikern bei den Dreharbeiten.
Der Film zeigt auch, dass Musikerinnen nur sehr eingeschränkt arbeiten können. Frauen hätten im Iran kaum Zeit gehabt, sich musikalisch zu entwickeln, berichtet Parvin Namazi, eine Musiklehrerin, die im Film vorkommt und die bei der Premiere anwesend ist.
Eine wichtige Figur in dem Dokumentarfilm ist Qamar-al-Moluk Vaziri alias Qamar, eine im iranischen Kulturraum bekannte Sängerlegende der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. „Ich kenne keine Frau im Iran, die so gesungen hat wie sie“, sagt Namazi während des Abends. Im Film sieht man Qamars ersten großen Auftritt im Grand Hotel 1924. Von dem Glanz des Gebäudes, auch das zeigt die Dokumentation, ist nicht viel geblieben. Heute dient es als Lager. Doch der Geist Qamars motiviert Frauen wie Najafi. Sie zeigt sich optimistisch auf ihrem Deutschlandbesuch mit ihrem Mann Ali Rahimi, der als Sänger in das Projekt involviert war.
„Wir brauchten einen Mann“, sagt Rahimi, der sonst als Produzent tätig ist und sich bereit erklärte, als „Alibi-Sänger“ mitzuwirken, um den behördlichen Auflagen gerecht zu werden, die das Konzert zwischendurch schon verbieten wollten.
„Es ist geplant, dass wir erneut als internationale Gruppe auftreten“, sagt Namazi. Man warte noch auf ein Angebot. Najafi hofft, dass der inzwischen prämierte Film auch im Iran zu sehen ist, wie seine erste Dokumentation „Football Under Cover“, die in der deutschen Botschaft Teheran gezeigt wurde. Najafi ist überzeugt: „Die Veränderung kommt, wenn die Gesellschaft das will“.
Natalie Mayroth
Der offizielle Kinostart von „No Land’s Song“ ist am 10. März 2016
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