: Schwerkranker Staatschef verursacht Staatskrise
NIGERIA Präsident Yar’Adua liegt in Saudi-Arabien in einer Klinik. Streit um mögliche Absetzung
BERLIN taz | In Nigeria spitzt sich ein Streit um die mögliche Absetzung des gewählten Präsidenten Umaru Yar’Adua zu. Das Kabinett lehnte es am späten Mittwoch einmütig ab, die Amtsenthebung des Staatschefs einzuleiten, der seit Anfang letzter Woche in Saudi-Arabien in einer Klinik liegt. Zuvor hatten 57 prominente Nigerianer in einer Erklärung, die zahlreiche Zeitungen auf ihren Titelseiten veröffentlichten, den Präsidenten zum sofortigen Rücktritt und zur Machtübertragung an seinen Vize Goodluck Jonathan aufgefordert. Dies sei „die ehrenwerte Option“, um das derzeitige „Machtvakuum“ zu beenden.
Yar’Adua galt schon als herzkrank, als er 2007 in einer von massiven Unregelmäßigkeiten begleiteten Wahl zum Präsidenten Nigerias gewählt wurde. Nach Angaben des Präsidialamtes hatte er am Nachmittag des 20. November Brustschmerzen und wurde mit dem Verdacht auf eine akute Herzbeutelentzündung nach Saudi-Arabien ausgeflogen, wo die Diagnose bestätigt wurde. Seitdem kursieren Gerüchte in Nigeria, der Präsident sei tot oder amtsunfähig.
Laut Nigerias Verfassung kann das Kabinett mit Zweidrittelmehrheit die Amtsunfähigkeit des Staatschefs feststellen und im Parlament beantragen, ihn abzusetzen und sein Amt dem Vizepräsidenten zu übertragen. Dies wäre jetzt aber nicht nur eine Machtübertragung zwischen zwei Politikern der Regierungspartei PDP (Demokratische Volkspartei), die Nigeria seit dem Ende der Militärherrschaft 1999 regiert, sondern zwischen zwei verfeindeten Landesteilen. Denn Präsident Yar’Adua kommt aus dem historisch in Nigeria dominanten muslimischen Norden, sein Vize Goodluck Jonathan aber aus dem historisch benachteiligten, aufsässigen Ölgebiet des Niger-Flussdeltas im christlichen Süden.
Im Süden Nigerias fürchten nun manche, die nördliche PDP-Elite wolle möglichst schnell Jonathan als Übergangspräsident bis zu den nächsten Wahlen 2011 installieren, um dann erneut einen Nordnigerianer aufstellen zu können. Präsident Yar’Adua, der vor wenigen Tagen aus der Intensivstation entlassen worden sein soll, hat sich nicht zu Wort gemeldet. DOMINIC JOHNSON