Kirche als Freiraum

Kunst „A Labour of Love“: Das Frankfurter Weltkulturen Museum zeigt Kunst aus Südafrika

von Katharina J. Cichosch

Insgesamt 600 Werke schwarzer Künstler aus Südafrika umfasst die hauseigene Sammlung des Frankfurter Weltkulturen Museums. 1987 erstmals in Deutschland ausgestellt, werden nun erneut 150 Werke zusammen mit neuen Arbeiten von vier jungen südafrikanischen Kunststudenten präsentiert. Mit „A Labour of Love“ haben die Kuratorinnen Yvette Mutumba und Gabi Ngcobo, die auch mit eigenen Kunstwerken vertreten ist, eine hervorragende Schau geschaffen, die gleich ein Dutzend Geschichten lose miteinander verknüpft und dabei heraustritt aus der Tradition, in der Kunst beispielsweise aus Südafrika bis vor wenigen Jahrzehnten auch an Orten wie diesem rezipiert wurde: interessant in ihrem ethnologischen Kontext, nicht als Kunst als solche. Um dieses Dilemma aufzulösen, haben die Kuratorinnen einen anderen, einen universalen Kontext geschaffen: die Liebe.

Als Hans Blum 1987 den Auftrag erhält, für das damalige Völkerkundemuseum Frankfurt eine Sammlung von Kunstwerken aus Südafrika zusammenzustellen, dürfen Schwarze dort weder die Innenstädte noch zahlreiche Strandabschnitte betreten. Der Besuch einer regulären Kunstakademie liegt erst recht in utopischer Ferne. Und trotzdem begegnet Blum, der südhessische Pfarrer und Mitarbeiter der Evangelisch-lutherische Kirche im Südlichen Afrika, immer wieder Künstlern in den Townships und in den ländlichen Regionen, die unter widrigen Umständen künstlerisch arbeiten. Oft nachts, wenn die Familienmitglieder schlafen.

Einer von ihnen ist Sam Nhlen­gethwa, neben Künstlern wie Peter Clarke und Lionel Davis eine Schlüsselfigur der Ausstellung. Nach dem Ende der Apartheid hat er den Weg auf den Kunstmarkt geschafft, seine Lithografien und Collagen gehen heute für ein Dutzendfaches dessen weg, was Hans Blum einst für die Arbeiten bezahlt hat. Ein Raum ist mit Vergrößerungen der damaligen Quittungen tapeziert, sie stammen aus der Crossroads ­Gallery oder dem African Arts Centre – Orte, die belegen, dass die Kunstwerke auch damals einen Markt hatten, der allerdings die gesellschaftlichen Strukturen im Land reproduzierte: Blum zählte zu den wenigen, die die Preise der Künstler akzeptierten.

Schwarze Kunst in Südafrika, die 80er Jahre damals und heute in Neuinterpretation durch die Kunststudenten, Apartheid, aber eben auch der namengebende Akt der Liebe: Die Kuratoren haben sich viel vorgenommen und orientieren sich richtigerweise an den Kunstwerken, von deren Narrationen sie sich leiten lassen. Mikro- und Makrokosmos, in dem die ausgestellten Künstler leben und arbeiten, sind der Ausstellung immanent eingewoben. Wie weit die im Untertitel genannten 80er Jahre von denen in der westlichen Kunstwelt entfernt sind, wird sofort deutlich. Schon formal sprechen die zahlreichen Druckgrafiken eine völlig andere Sprache als die postmodernen Arbeiten, die um diese Zeit in den Galerien von New York oder Berlin hängen. Die Druckgrafiken sind zunächst eine pragmatische Wahl, doch gerade in ihrer Reduktion lässt sich viel entdecken: Betont simpel gehaltene Linol- oder Holzschnitte wie die von John Muafangejo stehen komplexen Radierungen gegenüber, die Zersplitterung des Ichs im Selbstporträt, konkreter Alltag und comicartig stilisierte Szenen von Gewalt treffen aufeinander.

Möglichkeiten, künstlerisch zu arbeiten, boten vor allem die christlichen Bildungseinrichtungen. Drucke waren ein günstiges und in kleiner Auflage reproduzierbares Medium, die nötige technische Ausstattung vor Ort vorhanden. Viele Einrichtungen erwarteten ein entsprechendes Bekenntnis, sonntäglicher Kirchenbesuch inklusive.

Das Problem der Vermittlung spiegelt sich in den in die Ausstellung integrierten Arbeiten von vier Kunststudenten der Johannesburger Wits School of Art wider, die gerade deshalb überzeugen, weil sie gar nicht erst versuchen, die Lücke zwischen den historischen Ereignissen und dem eigenen Leben im heutigen Südafrika zu füllen. Sie sind als Reaktion auf die Sammlung und die hier präsentierten Geschichten zu verstehen. Michelle Monareng hat hierfür das Bild einer sich entwickelnden Schwarz-Weiß-Fotografie gefunden, die von der Zwangsumsiedlung ihres Großvaters erzählt: Langsam bilden sich aus den Schemen konkrete Motive heraus, aber es bleiben immer noch Erinnerungen eines anderen Menschen, denen sich die Künstlerin langsam anzunähern versucht.

Die ausgestellten Künstler berühren mit ihren Arbeiten so auch die Frage, ob das Glück für den Einzelnen noch möglich ist. Wenn ihre Kunst nicht die Welt zu verändern vermochte, so aber doch ihr eigenes Leben: Erst wer von der eigenen Situation sich entfernen kann, der kann die Deutungshoheit über das eigene Leben gewinnen. Auch davon erzählt „A Labour of Love“.

Bis 24. Juli, Weltkulturen ­Museum Frankfurt am Main, Katalog 42 Euro