: Ein Soundmeister aus Deutschland
GROSSE OPER In „Wagner 2013. Künstlerpositionen“ in der Akademie der Künste sprechen Künstler und Regisseure über den Komponisten. Die opulente Ausstellung zeigt außerdem, wie beliebt der Wagner-Sound im Film ist
VON KATHARINA GRANZIN
Die Musik des Meisters selbst ist hörbar omnipräsent in der Ausstellung „Wagner 2013. Künstlerpositionen“ der Akademie der Künste am Hanseatenweg – und dennoch gleichsam Nebensache. Nicht Wagner selbst, sondern der bühnenkünstlerisch vermittelte Wagner-Diskurs ist es, um den sich hier alles dreht. Dabei könnte man auch mal fragen, ob man sich wirklich immer noch mit Richard Wagner beschäftigen muss. Zumal dieser am 22. Mai 2013 schon zweihundert Jahre alt wird, woran man in diesem Jahr sicher unablässig erinnert werden wird. Die opulente Ausstellung der Akademie der Künste ist bereits im Dezember 2012 eröffnet worden.
Überall stehen Monitore, darauf sind viele talking heads zu sehen und zu hören und dazwischen immer wieder sehr laut singende Menschen in wallenden Kostümen und wechselnden Kulissen. Die da sprechen, sind Wagner-Regisseure oder solche, die von üppigen Bayreuther Festspielgagen dazu gemacht worden sind, wie Christoph Schlingensief und Jonathan Meese. Auch ein paar bildende Künstler sind dabei, wie der Russe Ilja Kabakov, der 1999 zusammen mit Christian Boltanski eine Wagner-Installation in den Heilstätten Beelitz erarbeitet hat. Kabakov sagt: „Die Tendenz von Wagner ist es, ein anonymes Kunstwerk zu schaffen.“ Als sein Interviewer nicht gleich versteht, setzt er nach, das sei so ähnlich wie bei Homer oder bei Shakespeare.
Interessanterweise zieht ausgerechnet Barrie Kosky, der in der Ausstellung die Rolle des einzigen Wagner-Kritikers spielt, eine ganz ähnliche Analogie, als er den „Ring“ mit dem „Mahabharata“, dem bekanntesten indischen Epos, vergleicht. Zwar spricht Kosky dem Wagner-Werk – wobei er unerwähnt lässt, dass der Komponist die Nibelungensaga nicht wirklich erfunden hat – den universellen Wert ab, der dem „Mahabharata“ zukomme, doch den Vergleich überhaupt zu ziehen ist eine lustige Idee. Wenn man schon über zwei Stunden damit verbracht hat, all die verdienten Regiemenschen sehr ernsthaft ihren Wagner erklären zu hören, ist es auch an der Zeit, Barrie Kosky zuzuhören, von dem im Ausstellungsflyer zu lesen ist, die Musik Wagners sei ein Land, das er nicht noch einmal besuchen wolle. Kosky hat in der Vergangenheit mehrfach Wagner-Opern auf die Bühne gebracht. Doch habe er, als er den „Ring“ inszenierte, in den Proben geradezu Ausschlag bekommen, erzählt der Australier. Und ganz abgesehen von Antisemitismus und Frauenfeindlichkeit: Wagner sei ein „schwarzer Magier“, seine Musik wie eine besonders starke Tablette oder wie eine psychische Krankheit.
Wagner-Allergiker, die nach einer Überdosis von Wagner-Klängen zu körperlicher Übelkeit tendieren, aus Gründen der Allgemeinbildung aber dennoch den Besuch der Ausstellung erwägen, finden den Kosky-Monitor schräg links vor der Jonathan-Meese-Installation. Meese schreibt auf seine Bilder und Plakate Sprüche wie „Kackesoterik, verpiss dich“ oder „Ich gehorche der Kunst, wie ihr der Schnabel gewachsen ist“. In seinem Statement erklärt er, dass man Kunst nicht kritisieren könne: „Auch Wagner gehe ich kritiklos an.“
Hätte Richard Wagner ein Jahrhundert später gelebt, wäre er natürlich Filmkomponist geworden. Gleich zu Beginn der Ausstellung fällt man in eine saalfüllende Installation des Künsterduos fettFilm, das Filmausschnitte mit Wagner-Musiken zeigt. Scorseses „Apocalypse now“ darf nicht fehlen, worin der Walkürenritt dem todbringenden Kampfeinsatz der Helikopter unterlegt wird, und „Der große Diktator“, worin Charlie Chaplin zu den Klängen des Lohengrin-Vorspiels mit der Weltkugel tanzt. Auch Lars von Trier („Melancholia“) und Baz Luhrmann („Romeo und Julia“) haben sich beim Soundmeister aus Deutschland bedient.
Dessen anhaltende Beliebtheit als Musiklieferant für Hollywood verweist auf die eigentümliche Eigenschaft der wagnerschen Musik, in tiefere Schichten des Bewusstseins zu zielen, als dies bei anderer Klangkunst üblich ist. Im Kino bekommt man das in kleinen Dosen. In der Oper muss man es sehr mögen, um es stundenlang auszuhalten.
Die üppige und ziemlich anstrengende Kakophonie, mit der die Musik des schwarzen Zauberers in der Ausstellung überall im Hintergrund rauscht, steht seltsam konträr zu ihrer ansonsten so affirmativen Haltung – als sei unter den Kuratoren ein Saboteur am Werke gewesen, der heimlich den Meister mit dessen eigenem Effektwollen ad absurdum führen wollte. Vielleicht aber hört bei Wagner auch eh keiner mehr richtig hin.
■ Akademie der Künste am Hanseatenweg, Di.–So. 11–19 Uhr, bis 17. Februar